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Finanzexperten der Ratsfraktionen im KEHRWIEDER-Gespräch über den Haushalt: Ausgliederung von Grünflächenamt und Wirtschaftsförderung angeregt
(Quelle: KEHRWIEDER am Sonntag, 6.6.10) Hildesheim. In gut einer Woche, am 14. Juni, steht der Haushalt 2010 im Rat zur Abstimmung. Am 15. März war er von Oberbürgermeister (OB) Kurt Machens und Kämmerin Antje Kuhne eingebracht worden. Seitdem berieten Ausschüsse über den Etat, tagten Verwaltungsspitze und Vertreter der Ratsparteien gemeinsam und gab es Fraktionsklausuren. Im nun schon traditionellen KEHRWIEDER-Gespräch äußerten sich am Donnerstag die Experten der Ratsfraktionen zu ihren Ideen und Forderungen im Kampf gegen die Finanzmisere.
Die erste Überraschung: Alle Fraktionen wollen dem Haushalt 2010 zustimmen. Zwar nicht in allen Einzelpositionen, aber immerhin als Gesamtkomplex. Das wäre das erste Mal in der aktuellen Legislaturperiode.
Das größere Stück Arbeit sehen allerdings alle im vorliegenden Konsolidierungskonzept. Frank Wodsack (CDU) lobt, dass erstmals der Schuldenabbau mit einem langfristigen Konzept angegangen wird. Detlef Hansen von der SPD teilt diese Einschätzung: "Wir müssen an das Haushaltssicherungskonzept (HSK) ran, nicht der Haushalt ist das Thema." Endlich liege zum ersten Mal für 15 Jahre Laufzeit ein Konzept vor. "Das macht mir Hoffnung auf die Zukunft der Stadt."
Und auch Thomas Müller vom Bündnis sieht hoffnungsvoll auf die nächsten Jahre und animiert seine Ratskollegen, Mut auch zu harten Entscheidungen aufzubringen. Michael Kriegel von der FDP: "Beim Haushalt geht es nur um Kosmetik, das Jahr ist zu weit fortgeschritten. Das HSK ist wichtig, das muss mit konkretem Leben gefüllt werden." Und als Vertreter der Grünen, die die Jahre zuvor dem Haushalt stets nicht zustimmten, findet diesmal Volker Spieth lobende Worte: Das HSK finde durchaus sein Gefallen. Die Grünen fänden sich darin durchaus wieder. Und sie sind voll des Lobes für die Kämmerin und ihren Mitarbeiter Ulf Behnel, die direkte Ansprechpartner im Finanzausschuss sind.
Als großer Brocken soll die Aufgabenverteilung zwischen Stadt und Landkreis angegangen werden. Michael Kriegel plädiert dafür, das Jugendamt an den Landkreis zu übertragen; Spieth lehnt dies kategorisch ab, während Müller, Hansen und Wodsack diese Möglichkeit derzeit noch nicht öffentlich diskutieren wollen – sie bräuchten zuvor detaillierte Informationen. Die gleiche Zurückhaltung zeigen alle Fünf beim Thema Jo-Bad: Es sei klar, dass bei den Bädern Geld eingespart werden müsse, die Schließung des Freibads fordert aber niemand. Sie favorisieren eine gemeinsame Betriebsführung aller Schwimmbäder.
Steuererhöhungen als Teil des Gesamtkonzeptes schließt Wodsack nicht aus, so etwa die "Anpassung der Einheitswerte" bei der Grundsteuer: Durch aktuelle Neubewertung des Wertes älterer Grundstücke könnte so mehr Geld in die Stadtkassen fließen. Diese Anpassung sei nur gerecht, betont Thomas Müller. Eine direkte Grundsteuererhöhung dürfe aber erst nach Ausschöpfung anderen Möglichkeiten kommen. Auch die FDP lehnt eine Grundsteuererhöhung ab. Detlef Hansen hingegen spricht sich für Steuererhöhungen aus, auch Volker Spieth sieht kein Problem, sozial ausgewogen müssten aber die Maßnahmen sein, betont er.
Kuhnes Konzept sieht darüber hinaus vor, die Tochterunternehmen stärker zur Kasse zu bitten und höhere Gewinnausschüttungen einzufordern. Die Grünen sind dafür. Wollen aber wie das Bündnis, FDP, SPD und CDU keine von der Stadt vorgeschriebenen Summen, sondern neue Entscheidungen von Jahr zu Jahr. Dass die Tochterunternehmen der Stadt insgesamt stärker einbezogen werden, dafür spricht sich Wodsack aus: Er schlägt vor, das Gebäudemanagement der Baugesellschaft GBG zu übertragen, die EVI könnte sich um die Übernahme der Straßenbeleuchtung bewerben.
Überhaupt sehen die Finanzexperten der Fraktionen in der stärkeren Nutzung eigener Kompetenzen die Chance für die Zukunft. Rekommunalisierung heißt hier das Stichwort. Kein Vertrauen gebe es mehr in Sachen Ausgliedern von Leistungen an private Firmen, betont Hansen. In einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR), wie sie gerade für die Stadtentwässerung gegründet wurde, sieht er für die Grünflächenverwaltung samt städtischer Friedhöfe eine Chance. Auch Müller und Wodsack stimmen da zu. Und auch die Ausgliederung der Wirtschaftsförderung analog der Marketing Gesellschaft stehe auf dem Prüfstand, sind sich die Politiker einig. Kritische Worte muss sich allerdings der Oberbürgermeister gefallen lassen: Er habe untersagt, dass außer der Dezernentin weitere Fachleute der Kämmerei im Finanzausschuss Auskunft geben; dadurch werde die Arbeit erschwert und verzögert, "ein absolutes Unding", ärgert sich Wodsack.
Zudem seien immer noch gut 20 Prozent der Verwaltungsvorlagen gerade bei wichtigen Themen mangelhaft vorbereitet, schlecht recherchiert und würden zu spät vorgelegt. Für die Verzögerungen sei häufig Machens selbst verantwortlich, da er die Vorlagen über seinen Schreibtisch laufen lasse und die Abläufe dadurch aufhalte. "Wir brauchen mehr Gelassenheit unseres OBs", fordert Spieth.
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