Windräder "freigesprochen"

Das Verwaltungsgericht Hannover ist nicht der Ansicht, dass neue Windräder zwischen Hotteln und Ingeln- Oesselse die Navigationsanlage "Funkfeuer Leine" der Deutschen Flugsicherung bei Sarstedt stören würden.

Verwaltungsgericht: Neue Anlagen am Meerberg würden Flugverkehr nicht stören

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 23.09.11) Sarstedt. Das Verwaltungsgericht Hannover ist nicht der Ansicht, dass neue Windräder zwischen Hotteln und Ingeln- Oesselse die Navigationsanlage "Funkfeuer Leine" der Deutschen Flugsicherung bei Sarstedt stören würden. Das hat die 4. Kammer gestern Nachmittag unter dem Vorsitz von Richter Ingo Behrens entschieden. Wie berichtet, hatte die Firma Windwärts gegen die Region Hannover geklagt, weil die Behörde ihr wegen der Bedenken der Flugsicherung einen Vorbescheid für die weitere Planung von vier Windrädern verweigert hatte. Drei der Windkraftanlagen dürfen laut gestrigem Gerichtsurteil allerdings doch nicht entstehen – aber aus einem anderen Grund: Nach Ansicht der Richter müsste auch die Fläche, über der die Rotorblätter schwingen, in dem Bereich liegen, der im Raumordnungsprogramm für Windkraft vorgesehen ist – und das ist bei drei der geplanten Anlagen auf dem Gebiet "Meerberg II" nicht der Fall.

In der Frage der Auswirkungen von Windrädern auf die Flugsicherheit ließ das Gericht eine Berufung zu. "Hier betreten wir absolutes Neuland", sagte Richter Behrens. Bisher gebe es dazu in Deutschland kein Urteil – dadurch erhält die Entscheidung, die durch das Sarstedter Funkfeuer ausgelöst wurde, grundsätzliche Bedeutung. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich bald das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg mit dem Thema befassen muss.

Dass Windkraftanlagen die Signale von Drehfunkfeuern beeinflussen und minimal die Ergebnisse verändern, die in den Flugzeugen ankommen, ist unbestritten. Ingenieur Thomas Kleinmann, der bei der Deutschen Flugsicherung (DFS) in Langen bei Frankfurt für alle rund 60 ähnlichen Anlagen in Deutschland zuständig ist, nennt den Grund: Auch ein Windrad strahlt das UKW-Signal der Navigationsanlage zurück – wie andere Flächen, zum Beispiel die Breitseite eines Mähdreschers, der an dem Funkfeuer vorbeifährt. So können sich in das Signal, mit dem ein Flugzeug seine Position bestimmt, andere Impulse mischen, die aus der Umgebung des Funkfeuers stammen. Schwächer zwar – aber ausreichend, um den gemessenen Winkel zwischen Flieger und Navigationsanlage um ein, zwei, drei Grad zu verändern.

Die entscheidende Frage, über die gestern die Experten stritten, war diese: Wie viel Abweichung ist erlaubt und vertretbar, ohne den Flugverkehr in Gefahr zu bringen? Kleinmanns Bewertung war deutlich: Der Funkfeuer-Standort in Sarstedt vertrage keine weiteren Windkraftanlagen in der Umgebung. Als sein Gegenpol war der international gefragte Gutachter Dr. Gerhard Greving aus Marbach bei Stuttgart angereist – hinzugezogen von der Firma Windwärts. Seine Meinung, ebenso deutlich: Neue Windräder wären dort keine Gefahr für die Flugzeuge.

Morgens um 9 Uhr trafen sich Richter, Rechtsanwälte sowie Vertreter von Region Hannover, Stadt Laatzen, Deutscher Flugsicherung und Windwärts, um sich direkt am Funkfeuer auf dem Moorberg ein Bild von der Technik zu machen. Die Anlage wurde dafür extra eine halbe Stunde lang abgeschaltet – der Flugverkehr brach dadurch nicht zusammen. Denn 80 Prozent aller Flugzeuge nutzen heute schon die Satelliten- Navigation per GPS. Die UKW-Funkfeuer dienen für viele Flieger eher als Netz, falls GPS einmal ausfällt.

Der lange Verhandlungstag entwickelte sich vor allem zu einem Experten-Duell zwischen Gutachter Greving und DSF-Vertreter Kleinmann. Dabei ging es um unterschiedliche Fragen: Wie verbindlich ist die internationale Vorgabe, dass eine Abweichung von 3,5 Grad durch Störungen einer Navigationsanlage erlaubt ist? Wie sind Fehler zu bewerten, deren Ursache in der Navigationsanlage selbst liegt – zum Beispiel durch den Umstand, dass der magnetische Nordpol wandert? Wie verlässlich sind die Flugmessungen, die einmal jährlich Daten über die Funkfeuer liefern? Kann die Rotation eines Windrades eine zusätzliche Störung bewirken?

"Worum es heute geht, lernt ein Elektrotechnik- Student erst kurz vor dem Examen", sagte Kleinmann über die Komplexität des Themas. Die drei hauptamtlichen und drei ehrenamtlichen Richter hatten die Aufgabe, den Berg von Zahlen und Informationen rechtlich einzuordnen. "Welcher Experte Recht hat, können wir nicht klären", stellte Richter Behrens klar. Unter dem Strich kam die Kammer zu der Einschätzung, dass bisherige Messungen keinen Anlass geben, von einer Gefährdung des Funkfeuers Leine durch neue Windräder auszugehen. Um 16.45 Uhr verkündete er das Urteil – das könnte aber schon bald bei der nächsten Instanz zur Prüfung landen.

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Energie | Stadt Sarstedt

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