Was tun bei einem Störfall?

Die Pläne für das Notfallmanagement beim Reaktorunfall liegen öffentlich aus: zum ersten Mal

(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 21.08.12)  Grohnde/Landkreis Hildesheim. Fukushima und das AKW Grohnde haben eines gemeinsam: Beide liegen am Wasser. Doch die Gefahr für den rund 25 Kilometer vom Landkreis Hildesheim entfernten Reaktor, Opfer einer Katastrophe von außen zu werden, dürfte eher gering sein. Bleibt die technische Anlage selbst. Auch wenn sie als sicher eingestuft wird, muss es einen Katastrophenplan für den Fall der Fälle geben. Eigentlich seit der Inbetriebnahme. 2012, also 27 Jahre später, wird der zum ersten Mal öffentlich ausgelegt.

Was also passiert, wenn Radioaktivität aus den Grohnder Meilern austritt? Für den Landkreis Hildesheim haben zu dem Thema Joachim Kiehne und Jörg Senftleben den Hut auf. Eine der Aufgaben im Ernstfall ist es, an die Menschen in der 25-Kilometer-Gefahrenzone rund um die Meiler Jodtabletten zu verteilen. Und zwar exakt auf den Punkt genau. Denn Jodtabletten wirken akut, bauen dann aber schnell wieder ab.

Sobald also der Störfall gemeldet wird, wird auch eine flächendeckende Kette an Messpunkten aktiviert, die das Unmögliche versuchen müssen: Die Stärke der Strahlung an vielen Standorten mit der Windrichtung und -Geschwindigkeit so hochzurechnen, dass Kiehne und Senftleben, wissen, zu welcher Uhrzeit genau die Tabletten geschluckt werden müssen.

Wenn die Wolke durch ist, ist es zu spät, schluckt man die Jodtabletten zu früh, verlieren sie an Wirkung. Lautsprecherdurchsagen, Radio und Fernsehen geben bekannt, wann es soweit ist. So weit so gut. Doch die Tabletten müssen vorher noch verteilt werden. Ein Szenario, dass ohne die Hilfe der örtlichen Feuerwehrleute nicht vorstellbar ist, sagt Kiehne.

Um Zeit zu gewinnen, lagern die Paletten mit den Jodtabletten längst nicht mehr im Keller des Kreishauses, sondern sind auf die Zentralen in Elze, Duingen und Gronau verteilt. Sobald alarmiert wird, sollen die Medikamentenpakete jeweils zu den Orten gebracht werden, wo sonst gewählt wird: zu den jeweiligen Wahllokalen. So hat es die Landesregierung festgelegt.

Und nicht jeder bekommt die Tabletten ausgehändigt: niemand, der älter als 45 Jahre ist. "Das Risiko der Nebenwirkungen ist dann größer als die Gefahr, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken." Tabletten also, die keinen Rundumschutz bieten und für viele eher riskant sind. "Wie soll man das Menschen in einer Panikreaktion klar machen?", fragt Kiehne und weist damit auf das große Dilemma aller Planungen für Extremsituationen hin: Entweder man bleibt völlig sachlich und hält sich an Sätzewie:"Die Verteilung der Jodtabletten muss in einem Ereignisfall möglichst schnell und unabhängig von Tageszeit und Witterung durchgeführt werden", oder man bewirbt sich in Hollywood als Drehbuchautor für Katastrophenfilme.

An den Super-Gau will Kiehne erst gar nicht denken: Doch auch für sofortige Evakuierungen sieht der Plan Lösungen vor. Bis zu 5000 Menschen können aufgenommen werden, zum Beispiel in den Schulzentren mit den neuen Mensen. Doch wie kommen sie hier hin? "Viele werden als Individualevakuierer unterwegs sein", glaubt Kiehne. Mit anderen Worten: im eigenen Auto. Eine Massenpanik auf vier Rädern, die über Radio gelotst werden soll. 25 Kilometer ist nur Zone eins, bis zu 60 Kilometer weit, also Söhlde als äußerer Zipfel, reicht Zone zwei. Derzeit streiten Atomkraftgegner dafür, die Evakuierungszone auf 170 Kilometer auszuweiten. Dann müssten die Pläne wieder geändert werden.

Gut an den Plänen: Auch bei anderen Notfällen in der Region können die Einsatzkräfte auf das Gerüst zurückgreifen.

Kategorie

Energie | Umwelt, Naturschutz, Klimaschutz

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