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Algermissener Ortsteil belegt in Rangliste ersten Platz in Niedersachsen / Photovoltaik-Anlagen liefern mehr Strom, als die Einwohner verbrauchen
(Hildesheimer Allg. Zeitung, 07.09.10) Wätzum. Ein kleiner Ort im Nordkreis macht Furore: Wätzum liegt in der Solar-Bundesliga auf Platz eins in Niedersachsen. Was das heißt, wie es dazu kam – ein Blick in ein Dorf voller Photovoltaik-Anlagen.
Ach ja, die Photovoltaik-Anlage! Der Bundesligaspieler hat eigentlich gerade andere Sorgen. Zusammen mit seinen Mitarbeitern hat er begonnen, die Kartoffeln zu roden. Besorgt studiert er den Wetterbericht im Internet: "Wir bräuchten drei Wochen ohne Regen, aber das ist wohl nicht drin", seufzt Hans-Heinrich Grefe.
Drei Wochen ohne Regen kämen Grefe aber nicht nur wegen der Kartoffeln sehr zupass, und vielen seiner Mitbürger geht es ebenso. Das ahnt man schon, bevor man mit irgendwem in Wätzum gesprochen hat. Wer von Süden auf das Dorf zufährt, sieht fast auf jedem Dach eine Photovoltaik- Anlage blitzen. Und in dem noch immer landwirtschaftlich geprägten Ort im Norden der Gemeinde Algermissen ist meist viel Platz auf den Dächern. Fast alle großen Scheunen haben Dächer nach Norden und Süden.
Das alles hat das 214-Einwohner-Örtchen in die Spitze der Bundesliga gebracht – der Solar-Bundesliga. Das Dorf liegt auf Platz eins in Niedersachsen, hat 129 andere Orte hinter sich gelassen. "Vielleicht können wir ja sogar Vorbild sein für andere Orte in der Region, da auch mitzumachen", frohlockt Ortsvorsteher Hans-Jürgen Hennies. Bisher sind acht Orte aus dem Landkreis Hildesheim dabei, doch gegen Wätzum haben sie keine Chance (siehe Kasten).
Zwei oder drei Photovoltaik-Anlagen gab es schon seit Mitte des Jahrzehnts. Doch der große Boom im kleinen Dorf begann im vergangenen Jahr. Da waren viele Landwirte aus Wätzum und benachbarten Orten bei einer Info-Veranstaltung des "Landwirtschaftlichen Beratungsrings". Da ging es um die Renditechancen mit Photovoltaik, um gesunkene Modulpreise. "Und plötzlich gab es bei Treffen, Geburtstagen und Feiern erst einmal kein anderes Thema mehr", erinnert sich Hans-Heinrich Grefe. Die Wätzumer Bauern dachten an ihre großen Dächer mit Südausrichtung und legten los. Meist taten sich mehrere Landwirte zusammen, um einen noch besseren Preis von den Lieferanten zu bekommen. Für einige war es ein Wettlauf gegen die Zeit – schließlich musste bis zum 31. Dezember ans Netz, wer noch von der höheren Einspeise- Vergütung profitieren wollte. "Die letzten waren am Nachmittag noch am Arbeiten", erinnert sich Grefe, der auf seiner Möhren-Kühlhalle in der Feldmark auch die größte Einzel-Anlage hat. Doch alle waren rechtzeitig fertig.
Insgesamt rund 350 Kilowatt-Peak haben die Wätzumer auf ihren Dächern installiert. Genug für gut 315 000 Kilowattstunden Strom im Jahr, was wiederum für 90 Durchschnitts-Haushalte reicht. "Wätzum ist autark", sagt Ortsvorsteher Hennies, der auf gleich drei Dächern des Familien-Grundstückls ebenfalls Photovoltaik-Anlagen vorweisen kann. Henrik Rühmkorf trug die Daten zusammen und meldete "sein" Dorf bei der Solar-Bundesliga an – und überraschte seine Mitbürger kurz darauf mit der Meldung, Wätzum liege zumindest in Niedersachsen ganz oben – und bundesweit unter 1599 Teilnehmern immerhin auf Platz 37.
So ganz stimmt das mit der Autarkie, also de Unabhängigkeit von jeder Stromversorgung außerhalb Wätzums, allerdings nicht. Das wird auch am Beispiel von Landwirt Grefe deutlich. Der speist zwar übers Jahr mehr Strom ins Netz des Energieversorgers e.on ein, als er verbraucht. Doch tatsächlich hat er im Sommer deutliche Überschüsse, im Winter hingegen liefern seine Solardächer weniger Energie, als beispielsweise die Kühlung in seiner neuen Möhrenhalle verbraucht. "Da lagern von Oktober bis März rund 1000 Tonnen Möhren – die haben so viel Eigenwärme, dass man auch im tiefsten Winter viel Strom braucht, um sie auf null Grad zu halten", erläutert Grefe, der fast ein Drittel des Wätzumer Solarstroms produziert und folglich so eine Art Solar-Nationalspieler ist.
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