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Gestern fiel am Kehrwiederwall die bisher letzte kranke Linde / Rathaus räumt Nachholbedarf ein
(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 19.01.11) Hildesheim. Die Stadt hat gestern am Kehrwiederwall die letzte der kranken Linden gefällt. Die Aktion ist bei vielen Menschen der Stadt Thema. Dass die Exemplare nicht zu retten waren, ist aber inzwischen unstrittig.
Die Bäume können bis zu 1000 Jahre alt werden. Die Exemplare entlang Hildesheims populärem Spazierweg haben allerdings gerade einmal 80 davon geschafft. Wenn sich die Stadt nicht frühzeitig um die neu angepflanzten Exemplare kümmert, könnten sie das Schicksal der gerade gefällten, kranken Bäume in wenigen Jahrzehnten teilen.
Alfons Berning, in Hildesheim vor allem als Rosenexperte bekannt, hat über viele Jahre beobachtet, wie die Linden vom Kehrwiederwall vernachlässigt wurden. "Eigentlich müsste man sie regelmäßig auslichten und formieren", sagt das Mitglied der Hildesheimer Roseninitiative. "Aber das ist hier Jahrzehnte ausgeblieben." Auch die Misteln, die an den meisten der Kehrwiederwall-Linden zu sehen sind, schaden seiner Meinung nach den Bäumen. "Der Mistelbefall zehrt am Wuchs", sagt er. Die Halbschmarotzer müssten eigentlich regelmäßig entfernt werden. Zwar stünden die Pflanzen, die ihre Wirte in luftiger Höhe "anzapfen", unter Naturschutz. "Aber um das Leben der Linden zu erhalten, müsste man sie eigentlich entfernen", sagt Berning.
Das glaubt auch Thomas Vespermann. Das Mitglied der Bürgerinitiative "Hildesheimer Natur" kämpft seit drei Jahren um jeden Baum im Stadtgebiet. Dass die sechs Exemplare, von denen gestern das letzte gegenüber dem Frauengefängnis fiel, tatsächlich krank war, räumt der selbstständige Künstler zwar inzwischen ein. Trotzdem klingen Vespermann noch die Worte des damaligen Stadtbaurates Thomas Kulenkampff im Ohr. "Der wollte, dass die Bäume auf dem Kehrwiederwall alle nach und nach ausgetauscht werden", sagt Vespermann. Dabei stünden dort viele "phantastische", vor allem gesunde Bäume. "Das ist doch ein Horrorszenario", findet er. Der Hildesheimer schlägt ein Naturdenkmal "Alte Linden auf demKehrwiederwall" vor – damit die restlichen Linden auf dem Wall unter Schutz gestellt werden.
Dass nach und nach alle Linden gefällt werden sollen, weist die Stadt weit von sich. "Es werden wirklich nur einzelne Bäume gefällt, die nicht mehr zu retten sind", erklärt Stadt-Sprecher Horst Richter. Auch die Behauptung mit den Misteln sei unzutreffend. "Misteln sind ein Zeichen dafür, dass ein Baum schon geschädigt oder geschwächt ist", erklärt er.
Die Stadt hat angekündigt, im Herbst wieder neue Linden am Wall anzupflanzen. Die "Neuzugänge" sollen dann fünf Meter hoch sein und einen Stammumfang von bis zu 25 Zentimetern haben, wie die Stadt vor einigen Tagen mitteilte. Allerdings deutet sich schon heute an, dass sie den Weg ihrer morschen "Schwestern" gehen könnten. "Wir kommen doch mit der Pflege der Bäume überhaupt nicht hinterher", räumt ein Stadtmitarbeiter ein, der gestern am Kehrwiederwall die Kettensäge schwingt. Er sei nur noch mit einer Handvoll Kollegen und einemeinzigen Steiger für mehr als 30000 Bäume im Stadtgebiet zuständig. Zudem stünden er und die Kollegen immer wieder in erster Reihe, wenn es Kritik hagele. "Viele Leutemachen uns richtig an", sagt er. "Das ist für uns auch nicht immer schön."
Dass die Baumpflege in der Vergangenheit nicht immer ganz perfekt gewesen sei, räumt auch Richter ein. "Da gibt es einen gewissen Nachholbedarf, aber wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und wollen sie nicht wiederholen." Gleichwohl weist der Stadt-Sprecher auf die leereKasseHildesheims hin.Die Stadt beschäftige 14 Mitarbeiter, die sich um die Pflege der Grünflächen kümmern. Lediglich drei davon seien Profis für die Pflege der Baumkronen und fürs Fällen. "Natürlich wünscht man sich manchmal mehr Personal, aber wir müssen nun mal mit dem bestehenden auskommen."
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