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Landkreis will Aufgabe ausschreiben / Mitarbeiter und Ausschuss dagegen
(Quelle: KEHRWIEDER am Sonntag, 23.01.11) Landkreis. Der Landkreis Hildesheim will seinen Sozialpsychiatrischen Dienst privatisieren. Bereits am morgigen Montag soll der Kreisausschuss beschließen, die Aufgabe an einen externen Anbieter auszuschreiben. Die Ausschreibung soll bis zum Sommer abgeschlossen sein, weil dann der Leiter Professor Dr. Eberhard Höfer in Altersteilzeit geht. Das Personal und Teile des Kreis-Sozialausschusses sind von der Privatisierung nicht begeistert.
Der im Landkreis Hildesheim seit 1982 bestehende Sozialpsychiatrische Dienst ist für die rund 300.000 Einwohner in Stadt und Landkreis zuständig. Er soll dazu beitragen, dass Menschen, die an einer seelischen Krankheit leiden, die erforderliche Hilfe bekommen. Der Dienst ist mit zwei Psychiatern, einer Psychologin sowie Sozialarbeiterinnen, Sozialpädagogen und Verwaltungskräften ausgestattet. Er bietet Beratung, Behandlung und Hausbesuche an, erstellt psychiatrische Gutachten und ist für die Unterbringung von Menschen in die geschlossene Abteilung des Ameos-Klinikums (ehemals Landeskrankenhaus) zuständig.
Bislang sind erst wenige Landkreise in Niedersachsen den Schritt gegangen, den Hildesheim jetzt plant. In Uelzen und in Lüchow-Dannenberg ist ein Verein Träger des Sozialpsychiatrischen Dienstes, der in Uelzen auch eine Psychiatrische Klinik sowie in Uelzen, Gifhorn und Dannenberg Psychiatrische Tagesstätten betreibt. In Celle hat die Diakonie der Evangelischen Kirche den Bereich übernommen, in Soltau-Fallingbostel die AWO Trialog gGmbH Sozialpsychiatrie.
Sozialdezernent Ulrich Wöhler spricht von "Synergieeffekten", die bei solchen Trägern greifen könnten, "insbesondere, wenn sie bereits in anderen Feldern der Psychiatrieversorgung tätig sind". Dies ist beim Ameos-Klinikum und AWO Trialog der Fall, auch auf die Kirchen könnte dies zutreffen. Namen nennt Wöhler nicht, bestätigt aber, dass vier regionale Anbieter Interesse an der Übernahme des Sozialpsychiatrischen Dienstes bekundet haben.
Für manche Mitglieder des Sozialausschusses stellt gerade dies ein Problem dar. Bislang war der Landkreis in diesem besonders sensiblen Bereich als neutrale Instanz tätig. Wenn Patienten an andere Einrichtungen vermittelt wurden, konnte der Landkreis unabhängig nach dem besten Angebot suchen und für eine ausgewogene Aufteilung zwischen den Gesundheitsanbietern sorgen. Ein privater Anbieter dürfte andere Interessen haben.
Wöhler betont, dass ausschließlich die Dienstleistungen ausgegliedert werden sollen – nicht der "hoheitliche" Bereich. Die Entscheidung über eine Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie würde weiterhin beim Landkreis fallen, außerdem obliegt der Verwaltung weiterhin die Kontrolle des privaten Anbieters. Doch auch hier gibt es aus Kreisen der Politik Zweifel, wie das in der Praxis aussehen soll. "Wir werden die Aufgaben nur vergeben, wenn die Qualität und die Quantität stimmt", beteuert der Sozialdezernent. Dies bedeute auch, "dass die Mitarbeiter tarifgebunden bezahlt werden sollen, wir wollen keine Dumpinglöhne". Die bisherigen Mitarbeiter des Landkreises hätten signalisiert, dass sie sich eventuell an einen externen Anbieter "abordnen" lassen würden, wenn sie dadurch keine Nachteile hätten, so Wöhler. Er befürworte den Grundsatz im Sozialrecht, wonach eine Kommune nicht zwingend alles selber machen müsse, wenn es dafür auch externe Dienstleister gebe.
Wenn der Kreisausschuss morgen dem Votum der Verwaltung folgt, würde er sich über den Sozialausschuss hinwegsetzen. Dort gab es nach KEHRWIEDER-Informationen am Donnerstagabend in nichtöffentlicher Sitzung Stimmengleichheit – was Ablehnung bedeutet. Das Thema war zwar bereits im September auch Gegenstand einer öffentlichen Sitzung. "Aber dass es über die Frage der Privatisierung jetzt keine öffentliche Debatte gibt, finde ich problematisch", kritisiert ein Ausschussmitglied. Zumal niemand konkret sagen könne, wie viel der Landkreis einspart. "Wir müssen die Aufgabe ja trotzdem weiter bezahlen."
Was die Sache nicht weniger kompliziert macht: Eberhard Höfers Leitungsstelle beim Landkreis ist bereits ausgeschrieben worden – für den Fall, dass der Kreisausschuss einer Privatisierung doch nicht zustimmt oder sich bis zum Sommer kein geeigneter Anbieter findet. "Das Verfahren ist bereits abgeschlossen, es gibt einen Bewerber", sagt Dezernent Wöhler. Nur: Wenn der Kreistag in seiner Sitzung vor der Sommerpause die Vergabe an einen externen Anbieter beschließt, gibt es die Stelle beim Landkreis gar nicht mehr. "Aber der Dienstleister braucht ja auch Personal", sagt Wöhler. "Die sollten dann vielleicht mal reden."
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