BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kreisverband Hildesheim

Schüler mit besonderem Förderbedarf besuchen nur selten Regel-Schulen

In Deutschland ist Niedersachsen bei der Integration von behinderten Schülern in das Regel-Schulsystem das Schlusslicht. Die Gemeinde Schellerten will etwas dagegen tun. Sie richtet zu diesem Thema eine Lenkungsgruppe ein.

Bei der Integration gibt es großen Nachholbedarf / Schellerten will Integration mit Gesamtkonzept für ganze Gemeinde fördern

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 07.12.10) Schellerten/Kreis Hildesheim. In Deutschland ist Niedersachsen bei der Integration von behinderten Schülern in das Regel-Schulsystem das Schlusslicht. Die Gemeinde Schellerten will etwas dagegen tun. Sie richtet zu diesem Thema eine Lenkungsgruppe ein. Diese soll ein flächendeckendes Konzept erarbeiten, wie junge Menschen mit Beeinträchtigungen in die vorhandenen Schulen integriert werden können – damit sie nicht jeden Tag lange Wege zu Förderschulen zurücklegen müssen.

In ganz Niedersachsen werden derzeit nur 6,6 Prozent aller Schüler mit höherem Förderbedarf in den "normalen" Schulen unterrichtet. Im Landkreis Hildesheim liegt die Quote noch viel niedriger, wie Günther Werner der Landesschulbehörde im Schellerter Schulausschuss berichtete. Werner ist Fachberater für sonderpädagogische Förderung. Nachbarkreise wie Hameln oder Peine seien schon viel weiter, berichtet er. Im gesamten Hildesheimer Landkreis gibt es laut Schulbehörde derzeit außerhalb der Kreisstadt nur eine einzige Integrationsklasse in einer weiterführenden Schule: an der Haupt- und Realschule Söhlde. In Hildesheim selbst sind es fünf Klassen. Folgende Grundschulen haben schon Integrationsklassen eingerichtet: Ochtersum, Harsum, Freden, Lamspringe und Föhrste.

Den Rückstand bei der Integration führt Werner vor allem auf die kreisweit gute Versorgung mit Förderschulen zurück. "Sie leisten ja hervorragende Arbeit", sagt er und nennt ein Beispiel: Für die Förderung von körperlich-motorischen Defiziten sei das Förderzentrum im Bockfeld so gut ausgestattet, dass eine normale Schule nicht mithalten könnte. "Man muss im Einzelfall entscheiden, welcher Weg für das Kind der beste ist."

Den Vorstoß zur Integration in der Gemeinde Schellerten hat die Grundschule Ottbergen angeregt. Schulleiterin Claudia- Maria Korte beantragt zum kommenden Schuljahr eine Integrationsklasse. In ihr sollen zwei eingeschränkte Kinder unterrichtet werden. Wenn die Schulbehörde zustimmt, wird der Integrationsklasse ein Förderschullehrer mit einem bestimmten Stundenkontingent zugeordnet. Falls ein Kind durch seine Behinderung kaum etwas selbst machen kann, gibt es unter Umständen einen sogenannten Einzelfallhelfer zusätzlich – das ist dann in der Regel kein Lehrer, sondern zum Beispiel ein pädagogischer Mitarbeiter.

Gemeindebürgermeister Axel Witte nahm den Antrag aus Ottbergen zum Anlass, ein Integrationskonzept für das ganze Gemeindegebiet anzustreben. Die Verwaltung legte einen entsprechenden Beschlussvorschlag vor, den der Schulausschuss einstimmig befürwortete.

In Ottbergen soll die Integration nach der Grundschulzeit nicht enden – Rektorin Korte berichtete, dass die Richardvon- Weizsäcker-Schule Bereitschaft signalisiert habe, betroffene Kinder später als Haupt- oder Realschüler ebenfalls in eine Integrationsklasse zu übernehmen.

Vor der Grundschule wird Integration in der Gemeinde Schellerten schon länger praktiziert: Seit 2007 hat der evangelische Kindergarten Sankt Lukas in Garmissen eine Integrationsgruppe. Von dort sind auch schon Kinder auf die Schellerter Bördeschule gewechselt. Das habe die Schule allerdings "mit Bordmitteln" organisiert, berichtete Rektor Rudolf Maxen – ohne den formellen Status einer Integrationsklasse und entsprechende personelle Unterstützung. Die Bördeschule regelte solche Fälle bisher flexibel – zum Beispiel, indem sie von zwei Parallelklassen derjenigen, in die ein Kind mit besonderem Förderbedarf integriert wurde, weniger Schüler zuwies als der anderen.

Zwischen Integrationsgruppen in Kindergärten und Integrationsklassen in Schulen lägen indessen Welten, stellte Werner klar: Im Kindergarten stünden medizinische Aspekte einer Behinderung im Vordergrund, in den Schulen gehe es um sonderpädagogischen Förderbedarf.

Letzteren will das Land Niedersachsen künftig in Schulen, die nicht explizit Integrationsklassen einrichten, verstärkt durch eine sogenannte Sonderpädagogische Grundversorgung abdecken. Die gibt es jetzt schon, sie wird auch von einer Reihe von Grundschulen wahrgenommen. Ihnen werden Förderschullehrer zugeordnet, die Stundenzahl richtet sich nach der Zahl der Klassen. Bei der Grundversorgung hat die Stadt Hildesheim bisher gegenüber dem ländlichen Kreisgebiet klar die Nase vorn: Elf Grundschulen in der Stadt nehmen die Grundversorgung in Anspruch, aber nur drei auf dem Land: in Freden, Lamspringe und Banteln. Ab 2012 sollen nach bisherigen Plänen möglichst alle Schulen in den Genuss einer Grundversorgung kommen. Wer sie schon ein Jahr vorher nutzen will, muss das noch gesondert beantragen. Laut Schulbehörde sind Anträge auf Integrationsklassen oder sonderpädagogische Grundversorgung bisher für 2011 aus Ottbergen, Algermissen, Lühnde, Nettlingen und Alfeld gestellt oder angekündigt.

Kategorie

Kinder und Jugend, Bildung

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