Schafft "Siegfried" 500 Arbeitsplätze?

Wenn heute morgen die Harsumer, Giesener, Sarstedter und Nordstemmer in ihrem Briefkasten den Flyer der K+S GmbH finden, dann halten sie trocken und sachlich beschrieben etwas in der Hand, was die Zukunft der Wirtschaftsregion umkrempeln könnte. Und der Landschaft. Seit sechs Monaten arbeitet ein rund 70-köpfiges Team aus Bergbau- und Umweltexperten an dem Plan, den Kaliabbau im Bergwerk Siegfried-Giesen wieder aufzunehmen.

Machbarkeitsstudie für den Kaliabbau Unter Tage – mit zahlreichen Problemen Über Tage / K+S entscheidet dieses Jahr

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 15.03.11) Giesen. Wenn heute morgen die Harsumer, Giesener, Sarstedter und Nordstemmer in ihrem Briefkasten den Flyer der K+S GmbH finden, dann halten sie trocken und sachlich beschrieben etwas in der Hand, was die Zukunft der Wirtschaftsregion umkrempeln könnte. Und der Landschaft. Seit sechs Monaten arbeitet ein rund 70-köpfiges Team aus Bergbau- und Umweltexperten an dem Plan, den Kaliabbau im Bergwerk Siegfried-Giesen wieder aufzunehmen.

Ein Vorhaben, das eine komplette Fabrik aus dem Boden stampfen könnte, den Transport von zwei Millionen Tonnen hochwertigem Dünger bewegen wird und das, gewissermaßen als Abfallprodukt, den Kaliberg auf das Vierfache wachsen lassen könnte.

500 Millionen Euro allein an Investitionskosten, 500 bis 700 Arbeitsplätze, viele davon für Spezialisten im Kalibergbau. Bis Ende Juni soll das Ergebnis der Prüfung vorliegen. Noch dieses Jahr entscheidet K+S über ein Vorhaben, zu dem jährlich die Gerüchteküche in Giesen immer wieder hochkocht.

Projektleiter Johannes Zapp, verantwortlich bei K + S für das Vorhaben, schwelgt nicht in Fantasievorstellungen. "Wir haben eine Reihe von Problemen zu lösen, und wir wollen dazu die Menschen mit ins Boot holen, die in dieser Region leben", sagte er gestern Vormittag gegenüber der Presse und am selben Nachmittag im Kreisumweltausschuss. Denn das wirtschaftlich attraktive Projekt birgt auch Umweltrisiken.

Technisch ist der Bergbau kein Problem, fasst Zapp den Stand der Dinge zusammen. Marktfähig ist das Produkt allemal, das aus dem hochwertigen kalihaltigen Gestein im Bauch der Erde gefördert werden könnte.

Nun bleibt zu prüfen, ob es angesichts der hohen Umweltauflagen auch wirtschaftlich ist. Wenn alles gut geht, könnten 2018 die ersten Bergleute wieder in die Grube einfahren. Doch dazu müssen auch die Anwohner zustimmen.

Spätestens 2020 schließt voraussichtlich das Bergwerk Sigmundshall bei Wunstorf. Siegfried-Giesen, seit 1987 nur noch Reservebergwerk, könnte dafür wieder zum Leben erwachen. Unter Tage sind Kalivorkommen von rund 50 Millionen Tonnen, die in den kommenden 20 Jahren gefördert werden könnten. "Wir vermuten die gleiche Menge in tieferen Lagen", sagt Zapp. Das heißt mindestens weitere 20 Jahre als Perspektive für die Wiederbelebung der Bergbauregion.

Bis auf 1050 Meter Tiefe ist das Gebiet Unter Tage bereits erschlossen. In Rössing- Barnten würde Frischluft hineinströmen, um per Lüfter in Fürstenhall wieder in die Atmosphäre zu gelangen. In Siegfried-Giesen gibt es den Materialund Förderschacht. Dort würde auch die Industrieanlage zur Ausbeute der beiden Düngemittel-Rohstoffe Kornkali und Kieserit gefördert werden. Einfahren in die Tiefe würden die Bergleute schließlich im Schacht Glückauf in Sarstedt. Und damit fangen die Probleme an.

Schacht Glückauf:
Der Einfuhrschacht für die Bergleute liegt direkt am südlichen Wohngebiet von Sarstedt. Eine neue Straße entlang der Häuser ist nötig, um denWerksverkehrzudenTag-undNachtschichten zu ermöglichen. Sarstedt ist bereits dabei, das Vorhaben zu prüfen.

Kaliabraum:
Das kalisalzhaltige Gestein hinterlässt eine Masse an Abraum, für den der derzeitige Kaliberg als Zeitzeuge in der Landschaft steht. 70 Prozent des neuen Abraums sollen wieder zurück in den Bauch der Erde, um die ausgebeuteten Kammern zu verfüllen. Doch die restliche Infrastruktur der Schachtanlage muss frei bleiben. 30 Prozent bleiben Über Tage. Dafür gibt es zwei Lösungen: Entweder der Kaliberg wächst in Höhe und Ausdehnung auf das Vierfache oder er bleibt flach, wird nach und nach mit einer Erdschicht abgedichtet und begrünt, verschlingt aber wertvolles Rübenackerland, das nie wieder landwirtschaftlich genutzt werden könnte.

Abwasserentsorgung:
Ziel von K+S ist die sogenannte Trockengewinnung des Rohstoffs, das heißt, es würde kein oder kaum Wasser verwendet. Aber im Falle der hochgebauten Halde würde Regen nach und nach Salz ausschwemmen, Wasser, das kontrolliert in die Innerste geleitet werden soll, ohne die zulässigen Grenzwerte zu übersteigen.

Materialtransport:
Zwei Millionen Tonnen Rohstoff, das bedeutet 20 Lastwagen und sieben Zugtouren pro Tag. Züge, die auf der Betriebsbahn von Giesen zum Harsumer Bahnhof fahren, direkt durch Ahrbergen. Die Gutachter von K + S arbeiten bereits an Lösungen, um den Lärm gering zu halten. Nachtfahrten sind tabu, auch die Geschwindigkeit soll unter 25 Kilometer pro Stunde liegen. Außerdem muss das Schienennetz komplett ausgetauscht werden.

Bahnhof Harsum:
In Harsum gibt es eine alte Verladestation für den Zugverkehr. Doch die reicht längst nicht mehr für den geplanten Abbau aus. Üblich sind heutzutage bereits Güterzüge mit einer Länge von 300 Metern. K+S benötigt die doppelte Länge und damit eine eigene Verladestation.

Hafenausbau:
Ein weiterer Baustein des Konzeptes ist der Einsatz von Euroschiffen und dafür muss der Stichkanal ausgebaut werden. Doch derzeit wird heiß spekuliert, ob es dafür noch eine Chance gibt. Wird ab 2014 doch gebaggert, will K+S den Dünger entweder im eigenen Hafenbereich bei Harsum oder in Hildesheim verladen. Alles in allem ein industrieller Kraftakt für die ganze Region. Allerdings mit wirtschaftlichen Perspektiven: Neue Arbeitskräfte könnten bedeuten, dass Wohngebiete kräftig wachsen. In jedem Fall sprudeln jahrzehntelang Gewerbesteuereinnahmen. Im Kreisumweltausschuss ging gestern schon die Debatte los, welche Kommune davon profitieren könnte.

Kategorie

Gemeinde Giesen | Umwelt, Naturschutz, Klimaschutz | Wirtschaft und Verkehr

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