Region als Labor für Energiewende

Das Dorf hat Johannes Schmiesing sich ausgedacht – doch es könnte ziemlich genau so auch im Landkreis Hildesheim existieren. Vielleicht tut es das sogar schon. Die Annahme: In dem Ort wohnen 300 Menschen in halb so vielen Haushalten, die zusammen rund 600000 Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr verbrauchen. Noch vor zehn Jahren entstand keine müde Kilowattstunde im Dorf selbst, der komplette Strom "floss" durch unterirdische Kabel ins örtliche Netz und von dort in die Steckdosen der Bewohner.

e.on Avacon plant Netzumbau, ohne alle Straßen aufzureißen / Landkreis ist Bundes-Durchschnitt

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 01.12.11) Kreis Hildesheim. Das Dorf hat Johannes Schmiesing sich ausgedacht – doch es könnte ziemlich genau so auch im Landkreis Hildesheim existieren. Vielleicht tut es das sogar schon. Die Annahme: In dem Ort wohnen 300 Menschen in halb so vielen Haushalten, die zusammen rund 600000 Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr verbrauchen. Noch vor zehn Jahren entstand keine müde Kilowattstunde im Dorf selbst, der komplette Strom "floss" durch unterirdische Kabel ins örtliche Netz und von dort in die Steckdosen der Bewohner.

In zehn Jahren könnte es in Schmiesings Dorf ganz anders aussehen. Viele Hausbesitzer haben effizientere Elektro- Geräte gekauft und ihre Häuser besser gedämmt. Zudem haben 45 von ihnen Photovoltaik-Anlagen aufs Dach gesetzt, und im Norden und Süden des Ortes haben zwei Bauern Biogasanlagen errichtet. Nun verbraucht das Dorf immer noch rund 400000 kWh pro Jahr – produziert aber plötzlich gut 2 Millionen selbst. Und das soll alles immer noch so fließen, dass an der Steckdose alles klappt wie immer und auch sonst nirgends eine Leitung durchschmort.

Schmiesings Musterdorf steht exemplarisch für jenen Wandel, der Ingenieure und Techniker bei großen und kleinen Energieversorgern umtreibt – und zeigt zugleich, wie die Energiewende bei jedem Bürger quasi vor der Haustür stattfindet. Wurde der Strom noch vor einem Jahrzehnt in wenigen Kraftwerken zentral erzeugt und dann im Land verteilt, steigt heute mit jeder neuen Photovoltaik-Anlage die dezentrale Produktion – und immer stärker fließt der Strom aus tausend kleinen Quellen auf dem Lande in die Städte."Die Energiewende findet auf dem Land statt", sagt Schmiesing, beim Helmstedter Energieversorger e.on Avacon zuständig für die Netzentwicklung. "Technisch ist das eine gewaltige Herausforderung, die Netze sind am Limit angekommen." Und dabei geht es vor allem um Leitungen in, sowie zwischen Ortschaften.

Reißen die Energieversorger also in den nächsten zehn Jahren jede Straße im Landkreis einmal auf, um neue Kabel zu verlegen? Eine Alptraum-Vorstellung für viele Bürger – und auch für die Energieversorger selbst. 915 Millionen Euro müsste e.on Avacon dafür in den nächsten zehn Jahren investieren, hat das Unternehmen ausgerechnet. Und sich inzwischen auf eine andere Lösung festgelegt: "Das Problem sind ja nicht die Strommengen, sondern die größeren Spannungs- Schwankungen im Netz", erklärt Schmiesing mit Blick auf die je nach Wetterlage sehr unterschiedlichen "Lieferungen" von Photovoltaik-Anlagen und Windrädern. Zuviel Spannung aber kann elektrische Geräte zerstören, zu wenig führt dazu, dass sie Aussetzer bekommen – beides will der verwöhnte Mitteleuropäer nicht. "Wir müssen also die Spannung stärker und detaillierter regulieren", folgert Ingenieur Schmiesing.

Statt mehr Kabel soll es deshalb neue oder leistungsstärkere Trafos für die Ortsnetze sowie eventuell zusätzliche kleinere Umspannwerke geben, um der Schwankungen Herr zu werden. Die Bauarbeiter sind also im Anmarsch, sollen aber die Straßen zufrieden lassen. Jedenfalls weitgehend. "Vereinzelt brauchen wir starke neue Leitungen von größeren Umspannwerken in den ländlichen Raum", erklärt Schmiesing. Wo und wie viele genau, stehe noch nicht fest, flächendeckend gebuddelt werde aber nicht.

Insgesamt betrachte e.on Avacon die Entwicklung im Landkreis Hildesheim mit großem Interesse. Denn von vielen Kennzahlen her sei dieser absoluter Bundesdurchschnitt. Das Verhältnis von Großstadt-Bewohnern zu Land-Bewohnern, von Flachland zu Mittelgebirge, ja selbst die Kaufkraft und der Waldanteil liegen ganz nah am nationalen Mittel. "Der Landkreis könnte eine Forschungsregion für die Energiewende werden – wenn sie hier klappt, klappt sie auch bundesweit", blickt der Ingenieur voraus.

Dass e.on Avacon nicht im ganzen Landkreis Netzbetreiber ist, spielt dabei keine große Rolle. Das im Süden und Westen aktive Überlandwerk Leinetal (ÜWL) gehört zu 48 Prozent den Helmstedtern. Und der erst im Sommer von e.on Avacon gekommene neue Geschäftsführer Volker Zündorf erklärt: "Wir stehen ja vor fast den gleichen Fragen und arbeiten da eng zusammen." Und auch den Konkurrenten EVI sehen sie bei e.on Avacon mit im Boot: "Beim Netz arbeiten wir immer schon zusammen, schließlich kennt der Strom keine Grenzen", sagt Franka Simon, Leiterin des Kommunalmanagements.

Kategorie

Energie

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