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Am viergliedrigen Schulsystem scheiden sich die Geister: Elternvertreter kritisieren Kultusminister
(Hildesheimer Allg. Zeitung, 08.12.10) Kreis Hildesheim. Statt dreigliedrig wird die niedersächsische Schullandschaft bald viergliedrig sein. Mit Turbodruck arbeitet Kultusminister Bernd Althusmann daran, sein Modell der neuen Oberschule zum nächsten Schuljahr an den Start zu bringen. Anträge können die Schulträger bereits jetzt stellen, obwohl es noch keine gesetzliche Regelung gibt. Eines ist jedoch schon sicher: Die Mindestschülerzahlen pro Jahrgang stellen eine so große Hürde dar, dass einige Schulstandorte im Landkreis keine Chance haben werden, sich jemals umzuwidmen. Sie bleiben Haupt- und Realschule.
Erklärtes Ziel des Kultusministers ist es, in Niedersachsen in Zukunft ein zweigliedriges Schulsystem aufzubauen. Das bestätigt dessen Sprecher Roman Haase auf Anfrage dieser Zeitung: "Aber das soll behutsam geschehen. Grundsätzlich haben die Schulträger nun mehr Möglichkeiten, ihre Entscheidungen über die Schullandschaft vor Ort zu treffen."
Mit anderen Worten: Standorte, die in den nächsten zehn Jahren die Mindestzahl von 52 Schülern für eine zweizügige Oberschule oder 79 Schülern für eine dreizügige inklusive gymnasialem Zweig sichern können, kommen in den Genuss der besseren Ausstattung durch Landesmittel. Haupt- und Realschulstandorten steht dann das bevor, was bisher die Hauptschulen allein erleben mussten: Sie werden alleine durch Anmeldeschwund ihre Existenz nicht mehr aufrecht halten können.
Das schätzt zumindest Matthias Kern so ein, der im Vorstand von Kreiselternrat und Landeselternrat sitzt und außerdem für den Bereich Gesamtschulen auch auf Bundesebene aktiv ist. "Die Schullandschaft wird sich in den kommenden Jahren stark verändern, das ist überhaupt keine Frage", sagt er. Und das bedeutet eben Schulschließungen. Dabei beschleunige die Oberschule diesen Prozess lediglich, fügt er hinzu. Aus seiner Sicht sei es nicht nötig gewesen, eine neue Schulform einzuführen, die Gesamtschule und die Kooperationen zwischen Haupt- und Realschulen hätten völlig ausgereicht, sagt Kern. Zumindest sei das Vorgehen des Kultusministeriums in dieser Frage "schlechter, demokratischer Stil".
Eine Kritik, die in der sogenannten Loccumer Erklärung vor Kurzem von Elternvertretern aus ganz Niedersachsen getragen wurde. Deren Rechte würden durch "politische, taktische Schachzüge umgangen", heißt es dort. Seit geraumer Zeit würden CDU und FDP auf Landesebene das gesetzlich verbriefte Mitwirkungsrecht der Landeselternvertretung "aushebeln", sagt auch Pascal Zimmer, Vorstand des Landeselternrates: "Althusmann redet zwar viel, handelt aber gegen den breiten Konsens aller beteiligten Verbände und Vertreter."
Zimmer fordert, wenn die Oberschule schon eingeführt wird, zumindestens die bestehenden Haupt- und Realschulen gleich zu behandeln und gleich auszustatten. Doch auch er sieht, dass über kurz oder lang in Niedersachsen etliche Schulstandorte geschlossen werden müssen: "Auch wenn der Wahlkampf darüber hinwegtäuschen wird: Es geht nicht, jede Schule zu erhalten. Das wird bitter werden."
Der Kreistag hat mit seinem jüngsten Kompromiss vor allem darauf gesetzt, die bisherigen Haupt- und Realschulstandorte weitgehend organisatorisch zusammenzufassen. Das betrifft Bockenem, Lamspringe und Sarstedt. Alfeld sowie Duingen sind noch außen vor, weil Verhandlungen mit dem Nachbarlandkreis Holzminden anstehen. "Solange es keine gesetzlichen Vorgaben des Landes gibt, werden wir nicht weiter aktiv", fasst Schulfachbereichsleiter Karl-Heinz Brinkmann die Linie der Kreisverwaltung zusammen.
Eine Debatte, der Matthias Kern auch etwas Positives abgewinnt: "Am Beispiel Ottbergen und Söhlde sowie Elze hat man doch gesehen, dass vor Ort kreative Prozesse in Gang gekommen sind. Das muss man unterstützen."
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