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Am Finkenberg und Lerchenberg droht der streng geschützte Kulturwald von Buchen verdrängt zu werden / BUND klagt gegen Landesforsten
(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 15.09.12) Hildesheim. Die Umweltverbände schlagen Alarm: Der uralte Eichenbestand im Naturschutzgebiet Finkenberg/Lerchenberg droht von Buchen verdrängt zu werden, weil die Forst sich nicht ausreichend um das Nachwachsen junger Eichen kümmert. Die Landesforsten weisen den Vorwurf entschieden zurück: Der natürliche Zuwachs an Eichenholz sei immer noch größer als die Entnahme durch die Waldarbeiter.
Die Eiche ist nicht nur der Deutschen liebster Baum, sondern auch die heimische Baumart, an der mehr Tierarten leben als an jeder anderen. In der groben Borke mit den tiefen Furchen finden viele Insekten einen idealen Lebensraum - und werden wiederum zur Nahrungsgrundlage zum Beispiel für verschiedene Spechte wie den seltenen Mittelspecht. In den hohen, lichten Kronen brüten Schwarzstorch und Wespenbussard.
Weil die Eichen auf den Anhöhen westlich von Sorsum für den Erhalt der Artenvielfalt so bedeutend sind, steht das 257 Hektar große Waldgebiet unter dreifachem Schutz: 2004wurde es von der Europäischen Kommission als "Fauna-Flora- Habitat" (FFH) anerkannt, ist damit Teil des europaweiten Schutzgebietsnetzes "Natura 2000", mit dem das europäische Naturerbe bewahrt werden soll. Außerdem ist der Wald Naturschutzgebiet (NSG) und EU-Vogelschutzgebiet.
Bei einem solchen Schutzschild sollte Naturschützern um den Erhalt des Bestandes eigentlich nicht bange sein. Doch das Gegenteil ist der Fall. Der Anteil der Eichen werde in Zukunft immer geringer, warnen der Ornithologische Verein, der BUNDund der NABU, und auch die untere Naturschutzbehörde der Stadt schätzt die Situation als bedenklich ein.
Der Wald zwischen Sorsum und Moritzberg ist, wie historische Aufzeichnungen belegen, schon seit Jahrhunderten Kulturwald, in dem die Menschen Eichen und Linden gezielt gepflanzt haben. Eiche, weil sie ein besonders stabiles Bauholz liefert und unter den Kronen die Schweine in die Mast getrieben werden konnten, Linde, weil Sorsumer Fassmacher aus den Ruten hölzerne Fassreifen hergestellt haben. Das weiche Holz war zudem zum Schnitzen und Heizen beliebt.
Den Wald sich selbst überlassen kann man aber nicht, denn die konkurrierenden Rotbuchen würden mit der Zeit die Eichen verdrängen. Junge Eichen brauchen viel Licht zum Wachsen, unter dem schattigen Blätterdach der Buchen können sie sich auf Dauer nicht entwickeln. Deshalb, fordern die Naturschützer, müsse die Forst junge Eichen nachpflanzen, zugleich aber für ausreichend Licht und Schutzzäune gegen Wildverbiss sorgen.
Die kontinuierliche Verjüngung eines Eichenwaldes geschieht natürlich nicht von heute auf morgen: "Mindestens 100 Jahre vor der Fällung der Alteichen muss für den Nachwuchs genügend junger Eichen gesorgt werden", sagt Maren Burgdorf vom Ornithologischen Verein. Schon heute, ergänzt Guido Madsack von der unteren Naturschutzbehörde, bedecken die Eichenbestände in dem257 Hektar großen Schutzgebiet aber nur noch 40 bis 50 Hektar. Tendenz stetig sinkend.
Doch selbst wenn mit den geforderten Schutzmaßnahmen heute begonnen werden würde, müssten die Alteichen noch viele Jahrzehnte erhalten bleiben, bis die Generationslücke geschlossen ist. In den Wäldern von Finkenberg und Lerchenberg wäre das auch ohne Probleme machbar, denn die Eichen hier sind erst zwischen 100 und 180 Jahre alt, können also noch gut und gerne weitere 100 Jahre bleiben, um dabei an Dicke und Wert weiter zuzunehmen. Stieleichen können 300 bis 900 Jahre, vereinzelt sogar mehr als 1000 Jahre alt werden, Traubeneichen werden 300 bis 600 Jahre alt. Wünschenswert wäre es nach Ansicht der Umweltverbände, einzelne besonders alte Bäume stehen zu lassen, die sich dann zu sogenannten Habitat oder Uraltbäumen entwickeln können. Sie haben für den Lebensraum eine besonders hohe Bedeutung und tragen sehr zum ökologischen Wert eines Waldes bei. Und ganz nebenbei sorgt ihre Samenproduktion für einen natürlichen Eichen-Jungwuchs.
Untersuchungen haben gezeigt, dass allein 300 pflanzenfressende Insektenarten auf die Eiche angewiesen sind - dreimal mehr als auf Buchen. Zu ihnen gehören bedrohte Arten wie der Hirschkäfer, der Bockkäfer oder der Prachtkäfer.
Uraltbäume mit einem Durchmesser von mindestens 80 Zentimetern in Brusthöhe gemessen aber fehlten im Schutzgebiet derzeit völlig, beklagen die Verbände, bis auf wenige etwas ältere Einzelexemplare seien die Bäume höchstens 180 Jahre alt, überwiegend aber jünger als 160 Jahre. Für die Forst sind dickere Bäume interessant, weil die Stämme beim Verkauf hohe Erlöse versprechen. Uraltbäume hingegen lassen sich nur schlecht vermarkten, weil ihr Holz mit den Jahrhunderten geringwertiger wird. Ein Alter zwischen 160 bis 180 Jahre ist aus ökonomischer Sicht daher am lukrativsten.
Welche Strategie die Forst in den kommenden Jahren einschlagen will, wissen die Verbände nicht. Trotz wiederholter Vorstöße und Bitten würden sie nicht am Erhaltungs- und Entwicklungsplan der Landesforsten für das Schutzgebiet beteiligt, werde nicht offen gelegt, welche Betriebspläne es für die kommenden Jahre gebe, schimpfen die Verbände. "Der Staatswald", betont Madsack, "ist aber Gemeinbesitz und gehört uns allen."
Die Landesforsten weisen die Vorwürfe zurück. 2010 etwa seien im Kerngebiet nur 22 Festmeter Stammholz entnommen worden, und die auch nur für Verkehrssicherungsmaßnahmen und zur Pflege der Eichen. Zwischen 2010 und 2020 werde es in diesem Wald einen Zuwachs von 270 Festmetern geben, geplant sei aber nur eine Entnahme von 170 Festmetern, sagt Stefan Fenner, Unternehmenssprecher der Landesforsten in Braunschweig.
In Wäldern wie diesen arbeite die Natur eh komplett gegen den Menschen, ohne seine Eingriffe würde hier ein völlig anderer Wald entstehen. Deshalb müsse "ergebnisoffen" diskutiert werden, "ob das überhaupt einen Sinn macht, was wir hier tun". Einen Handlungsdruck gebe es nicht. "Wir haben ja die Eichen."
Die Skepsis der Naturschutzverbände kann er damit nicht zerstreuen: Der Zuwachs bezieht sich nach ihrer Einschätzung nur auf alte Bäume, die an Volumen gewinnen. Nachhaltigkeit sehe anders aus. Inzwischen klagt der BUND-Landesverband beim Verwaltungsgericht Hannover gegen die Landesforsten auf Offenlegung, welche Holznutzungen und Schutzmaßnahmen in den Wäldern geplant sind. Die Naturschützer sind überzeugt: Nach dem Bundesnaturschutzgesetz steht den anerkannten Verbänden ein Mitwirkungsrecht zu, das die Landesforsten ihnen bislang verweigert hätten.
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