Kreistag: Ein zerknirschtes Ja mit "geballter Faust in der Tasche"

Es war schon eine ungewöhnliche Abstimmung, gestern im Hildesheimer Kreistag: Nahezu einstimmig sprach sich das Gremium für die Eckpunkte des neuen Finanzvertrages mit der Stadt Hildesheim aus – nur vier Kreistagsmitglieder stimmten dagegen, zwei enthielten sich.

Große Mehrheit des Kreistages stimmt Finanzvertrag mit der Stadt zu – äußert aber scharfe Kritik und fordert Nachbesserungen

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 11.10.11) Kreis Hildesheim. Es war schon eine ungewöhnliche Abstimmung, gestern im Hildesheimer Kreistag: Nahezu einstimmig sprach sich das Gremium für die Eckpunkte des neuen Finanzvertrages mit der Stadt Hildesheim aus – nur vier Kreistagsmitglieder stimmten dagegen, zwei enthielten sich. Doch in ihren Redebeiträgen machten Sprecher fast aller Fraktionen keinen Hehl aus ihrer Unzufriedenheit mit dem Verhandlungsergebnis. Dieses soll, wie bereits berichtet, die Stadt unter dem Strich um 16 Millionen Euro pro Jahr entlasten. Die fließen zwar künftig nur zum Teil aus den Kassen des Kreises. Doch immerhin muss dieser sich darauf einstellen, künftig zumindest 10 Millionen Euro im Jahr dafür abzuführen, dass die Stadt weiter Aufgaben des Landkreises erledigt.

Die Stadt hat ihre Hausaufgaben nach Meinung des Kreistages nicht erledigt: Sie habe großen Nachholbedarf bei der Konsolidierung und sträube sich gegen Zusammenlegen von Strukturen mit dem Kreis, war der Tenor.

So wurde ein gemeinsamer Zusatzantrag aller Fraktionen gestern einstimmig ohne Nein oder Enthaltung verabschiedet. Darin fordert der Kreistag die Stadt und Kreisverwaltung auf, spätestens bis zum30. September 2013 einen beratungsfähigen Anschlussvertrag mit größeren Einsparpotenzialen vorzulegen. Bevor die Kreisumlage erneut erhöht werde, sollen Stadt und Kreis ihre Haushaltssicherungskonzepte verschärfen. Außerdem sollen die Partner ihre Zusammenarbeit durch Zusammenlegen von Aufgaben deutlich verstärken. Als Beispiele werden genannt: Archivarbeit, Beschaffungs- und Ausschreibungswesen, Pflegekinderdienst, Fortbildung der Mitarbeiter, Rechnungsprüfungsämter, Seniorenberatung und -betreuung, Umweltverwaltung und Zwangsvollstreckung.

Klaus Bruer (SPD) ging mit der Stadt hart ins Gericht. Zwar habe sich herausgestellt, dass ihre Forderungen an den Landkreis berechtigt seien. Doch nun müsse die Stadt ihren Etat "sehr energisch und durchgreifend konsolidieren". Als "beängstigendes Beispiel für die Ignoranz der Stadtverwaltung" wertete Bruer die Ablehnung des Kreis-Angebotes, die Aufgaben des städtischen Umweltamtes mit zu übernehmen. Das hätte eine Einsparung von 300000 Euro bewirkt, rechnete Bruer vor. "Eine solche Ignoranz wird sich die Stadt in Zukunft nicht mehr erlauben können", meinte er, "eine Ignoranz, die die anderen Kommunen durch ihre Kreisumlage bezahlen müssten."

Der CDU-Fraktionschef Christian Berndt erklärte, er stimme den Eckpunkten des Vertrages nur "mit geballter Faust in der Tasche" zu. Er empfinde ein Gefühl der Ohnmacht, da der Vertrag "völlig unzureichend" sei. "Mit dem Durchgewurschtel muss 2013 Schluss sein."

Auch Winfried Schirm (FDP) forderte, Stadt und Kreis müssten Strukturen "viel energischer zusammenlegen". Der Kreistag stimme dem Finanzvertrag nur zu, weil sich die Stadt dadurch 140 Millionen Euro vom Land sichern könne, die quasi in die Region fließen. Auf diese angestrebte Entschuldung im Rahmen des Zukunftsvertrages ging auch Dr. Bernhard Evers (CDU) ein: "Wir können es uns nicht leisten, die Stadt Hildesheim in dieser Situation allein zu lassen." Daher komme der Kreistag gar nicht drum herum, der neuen Finanzbeziehung zuzustimmen.

Volker Hehenkamp vom Bündnis begründete sein Nein zum Finanzvertrag: Dieser werde den Erfordernissen nicht gerecht und enthalte bisher nur Absichtserklärungen ohne Verbindlichkeit.

Kurt Rodewald (CDU) meinte, er habe sich in 40 Jahren Kommunalpolitik noch nie so unter Druck gesetzt gefühlt. Das ganze Thema werde nur am Ausgleich für die Stadt Hildesheim festgemacht. Auch andere Kommunen seien hoch verschuldet, zum Beispiel seine Heimatgemeinde Nordstemmen. "Und wer hilft uns?"

Holger Schröter-Mallohn (Grüne) zeigte sich überzeugt, dass das Verhandlungsergebnis von Stadt und Kreis angesichts der Rahmenbedingungen das einzig mögliche war: "Wir hatten nie eine andere Chance als die, die uns jetzt vorliegt."

Landrat Reiner Wegner verteidigte das besagte Ergebnis. Er wies zum Beispiel darauf hin, dass die Forderung, bei der Einzelfallbearbeitung in der Verwaltung großzügig zu sein, dem Ruf nach Einsparungen widerspreche. Eine Umstrukturierung bringe nicht immer den gewünschten Erfolg: Das Land habe vor Jahren die Bezirksregierungen abgeschafft. "Und es gibt dafür immer noch kein funktionierendes neues System."

Stadt und Landkreis Hildesheim arbeiteten in vielen Bereichen bereits gut zusammen, führte Wegner weiter aus und nannte als Beispiele die Sparkasse, die Volkshochschule, den Zweckverband Abfallwirtschaft (ZAH) und das Theater (TfN). Die Stadt Hildesheim sei bisher faktisch kreisfrei gestellt worden, weil sie keine Umlage wie die anderen Kommunen zahlte. "Das wird nun geändert."

Wegners Fazit: Wäre die Einigung gescheitert, hätten sich Stadt und Kreis wohl vor Gericht wieder getroffen. "Dort hätten wir wohl als Vergleich auch nur das erreicht, was wir jetzt haben. Aber erst in einigen Jahren."

Kategorie

Kreisangelegenheiten

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