Kartellamt droht Wasserversorgern

Die massiven Unterschiede bei den Wasserpreisen haben nun die Aufsichtsbehörden auf den Plan gerufen. "Es gab eine große Erhebung in allen Bundesländern", erklärt Heike Zinram, Chefin der niedersächsischen Landeskartellbehörde. "Wir schauen beim Trinkwasser genauer hin."

Teure Anbieter müssen Preise erklären / Bald Attacke bei Abwasser?

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 02.02.11) Kreis Hildesheim. Wasser ist Leben, heißt es. Wenn es danach geht, leben die Giesener viel günstiger als die Fredener. Zumindest in Sachen Trinkwasser, wie die HAZ-Übersicht zeigt. Die massiven Unterschiede bei den Wasserpreisen haben nun die Aufsichtsbehörden auf den Plan gerufen. "Es gab eine große Erhebung in allen Bundesländern", erklärt Heike Zinram, Chefin der niedersächsischen Landeskartellbehörde. "Wir schauen beim Trinkwasser genauer hin." Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) ließ seinen Sprecher sogar kürzlich verkünden: "Wir greifen gegebenenfalls hart durch." Möglich, dass die Landesregierung im Einzelfall Preissenkungen anordnet.

Alarmiert wurden die Wettbewerbshüter durch extreme Unterschiede wie diesen: Für 150 Kubikmeter pro Jahr kassiert der Wasserverband Peine in Dransfeld bei Göttingen 468 Euro. Der Wasserverband Werlte verlangt für die gleiche Menge in Hümmling im Emsland ganze 87 Euro. Da nehmen sich die Unterschiede in der Region Hildesheim noch moderat aus.

Dennoch dürfen hiesige Versorger mit kritischen Fragen aus Hannover rechnen. In der Übersicht für einen Jahresverbrauch von 150 Euro (Einfamilienhaus) liegt die Wasserwerk Freden GmbH auf Platz zwei, nur Dransfeld ist teurer. Auch die e.on-Avacon-Tochter Purena, aktiv unter anderem in Bockenem, Algermissen und Söhlde, belegt Spitzenplätze, die Energieversorgung Hildesheim (EVI) ist vorn dabei, das Überlandwerk Leinetal (ÜWL) befindet sich ebenfalls im oberen Fünftel.

Geht allerdings auch nicht anders, beeilen sich die Verantwortlichen zu versichern. "In Freden gibt es noch viele Verbindlichkeiten aus früheren Sanierungen", erklärt ÜWL-Chef Dr.Hanns-Eberhard Liebing. Sein Unternehmen macht dort die Betriebsführung. "Diese Verbindlichkeiten konnten aber zuletzt erfreulich abgebaut werden, das Netz ist in einem guten Zustand. Perspektivisch sind Preissenkungen möglich." Das Kartellamt fürchtet er nicht. "2006 gab es schon einmal eine Untersuchung, da gab es auch nichts zu bekritteln."

Vergangene Investitionen führt auch Purena-Chef Jürgen Schodder ins Feld, vor allem in Bockenem. "Dort gibt es ein dünnes, weit verzweigtes Netz", erklärt er. Auch bedürften die Rohre aus den 20er und 30er Jahren hoher Investitionen. Und: "In diesem Bereich leben immer weniger Menschen – und sie verbrauchen auch weniger Wasser."

Argumente wie diese muss er möglicherweise auch bald gegenüber Heike Zinram vorbringen. Ihre Behörde will die teuersten Versorger auffordern, ihre Preisberechnungen aufzuzeigen. "Bei e.on Avacon und seinen Töchtern sind die einkalkulierten Erlöse schon recht hoch", sagte Zinram dieser Zeitung. Einen Gewinn "unter zehn Prozent Verzinsung des Eigenkapitals" akzeptiere man zwar grundsätzlich. "Aber wie auch bei Argumenten über das Alter des Netzes oder die hügelige Landschaft gilt: Man kann das nicht verallgemeinern, muss Einzelfälle betrachten." Und im Einzelfall hart vorgehen: "Wir können auch Preissenkungen anordnen, wenn uns die Versorger nicht überzeugen können." Auch wenn das beim Trinkwasser in Niedersachsen eine Premiere wäre.

Verallgemeinern will sich auch die Energieversorgung Hildesheim nicht lassen. "Unsere Netzwarte mit einem Bereitschaftsdienst von Fachpersonal in sämtlichen Sparten ist rund um die Uhr im Einsatz. Wir haben Notfallwerkzeug vor Ort und sichern dadurch schnelle Reaktionszeiten", betont Sprecherin Katrin Groß. Auch erschwere der steinige Untergrund den Leitungsbau. Und aufgrund der Größe der Stadt zahle man 15 Prozent Konzessionsabgabe an die Stadt, kleinere Städte nur zwölf Prozent. Die Konzessionsabgabe wird auf den Nettopreis erhoben. Und: "Bei der Prüfung 2006 gab es keine Beanstandungen." Doch auch EVI kann sich auf kritische Fragen gefasst machen: "Stadtwerke subventionieren oft quer", stellt Zinram ganz allgemein fest. Hieße: Der Wasserkunde finanziert auf Umwegen zum Beispiel den Nahverkehr mit.

Fröhlich reagiert Giesens Bürgermeister Andreas Lücke auf die Statistik. "Wir haben ein gutes Netz und konstant investiert, deshalb gute Preise", freut er sich. Eine Privatisierung sei kein Thema. Auffällig: Auch die Plätze zwei und drei gehen an Kommunen, die die Wasserversorgung noch selbst machen. Weil sie anders als Firmen mit Wasser keinen Gewinn machen dürfen und keine Konzessionsabgabe zahlen müssen? Heike Zinram warnt vor schnellen Schlüssen: "Da wird auch viel quer subventioniert, viele kalkulieren gar nicht richtig, das sind oft sozusagen politische Preise." Auch diese Preise (offiziell: Gebühren) dürften bald stärker ins Visier der Aufseher geraten, glaubt Zinram.

Und nicht nur die. Auch Abwasser-Gebühren wollen die Kartell-Behörden künftig kritischer unter die Lupe nehmen.

Kategorie

Wasserversorgung, Abwasser, Abfallbeseitigung, Recycling

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