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Hildesheim (Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 16.04.10). Politik sucht Frauen? Das passt prima, freut sich Dilek Boyu. Denn die 44-Jährige will in die Politik. Da kommt ihr das Mentoren-Programm des niedersächsischen Sozialministeriums, das den Frauen-Anteil in den Parlamenten erhöhen will, gerade recht. Dank der Initiative ist Boyu ihrem Ziel einen Schritt näher. Eineinhalb Jahre wird sie Grünen-Fraktionschef Ulrich Räbiger bei der Arbeit über die Schulter schauen, 2011 will sie für den Rat kandidieren.
Es ist das vierte Mentoren-Programm, fast 300 Frauen haben sich angemeldet, sechs aus der Region Hildesheim. Die Grünen stellen zwei Mentoren, die Sozialdemokraten drei, die FDP ist mit einer Mentorin dabei. Räbiger ist der einzige Mann im Bunde. In den Parlamenten ist das Verhältnis oft umgekehrt, in den Städte- und Gemeinderäten im Land beträgt die Frauenquote durchschnittlich nur 21 Prozent. Der Hildesheimer Rat steht dabei mit 30 Prozent recht gut da.
Doch auch hier sollten noch mehr Frauen mitmischen, finden Räbiger und Boyu. Seit einem Jahr gehört sie den Grünen an, vorgestern ist sie in den Ortsvereinsvorstand gewählt worden. Doch nur Parteimitglied, das reicht ihr nicht: "Ich will etwas bewegen." Vor allem bei Themen rund um die Integration von Hildesheimern mit ausländischen Wurzeln - wie Boyu selbst. Ihr Vater stammt aus Aserbeidschan, ihre Mutter aus der Türkei, sie selbst ist in Ulm geboren und Deutsche. Welche Probleme andere Menschen mit ähnlichen Biografien oder deren Kinder haben können, erlebt Boyu täglich: Sie arbeitet ehrenamtlich als Integrationsund Familienlotsin der Stadt, zudem berät sie ausländische Eltern und Kinder in einer Schule. Da hapert es oft an der Kommunikation, hat die 44-Jährige beobachtet – gleich in mehrfacher Hinsicht. "Manchmal kommt es zu Schwierigkeiten, weil Schüler bei Gesprächen mit Lehrern den Eltern nicht alles übersetzen." Vor allem aber gebe es einen Mentalitätsunterschied, erklärt die Muslimin. Viele Migranten verstünden Appelle der Lehrer, den Nachwuchs mehr zu fördern und zu fordern, als Angriff. "Sie denken dann, ihre Kinder sind nicht gut genug."
"Regelrecht fasziniert" ist die aserbeidschanisch-türkisch-deutsche Frau von der Form der politischen Auseinandersetzung in Deutschland. "Hier streitet man miteinander, grüßt sich aber trotzdem hinterher freundlich auf der Straße – das ist in meiner Herkunftskultur anders." Dort verstehe man Konflikte als Angriff auf die Person, hier drehe es sich um die Sache. "Das musste ich auch erst lernen."
Lernen müsse allerdings auch die Stadt Hildesheim etwas: "Ehrenamtliche Arbeit ist etwas wert." Es könne nicht sein, dass sie als Integrationslotsin nicht einmal ihre Fahrt- oder Telefonkosten erstattet bekomme. Eine Beschwerde, die die alleinerziehende Mutter, die von einer Rente lebt, auch im Rat vortragen will – falls sie 2011 ein Mandat holt. Die Chancen sind gut, meint Mentor Räbiger: Boyu könne hoffen, als Spitzenkandidatin in einem der vier Wahlbereiche anzutreten.
Zunächst allerdings will sich die 44-Jährige von Räbiger das ABC der Kommunalpolitik vermitteln lassen. Sie begleitet ihn zu Sitzungen, arbeitet Anträge mit aus – das übliche Geschäft eben. Der Fraktionschef verspricht sich ebenfalls etwas von dieser Tandem-Bildung. "Ich werde bei meiner Arbeit beobachtet und gespiegelt – darauf freue ich mich!"
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