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Die Anti-Atom-Bewegung meldet sich zurück: Probe-Blockade vor Kernkraftwerk
(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 17.01.11) Grohnde/Hildesheim. Mehrere Hundert Demonstranten haben am Sonnabend vor dem Atomkraftwerk Grohnde gegen einen bevorstehenden Atomtransport demonstriert. Unter den Aktivisten waren auch 50 aus Hildesheim. Die als "Sitzprobe" bezeichnete Kundgebung soll ein Test für die geplante Blockade der Zufahrt sein. "Wir wollen den Transport so weit wie möglich erschweren", kündigt Andreas Neumann vom Anti-Atom-Plenum Hildesheim an.
Der 37-Jährige war einer der Redner auf der Bühne unmittelbar vor dem Atomkraftwerk. Die Demonstranten waren aufgerufen, originelle Sitzmöbel mitzubringen. Unter anderem hatten sie zwei Sofas vorgefahren, auch Sitzbälle und Strohballen wurden genutzt. Die Veranstalter sprechen von 2200 Teilnehmern, die Hamelner Polizei schätzt die Menge auf 600. Für das Anti-Atom-Plenum war es die erste große Herausforderung: Die Gruppe hatte sich erst im vergangenen Herbst gegründet. "Früher haben viele Hildesheimer gegen das Kraftwerk Grohnde protestiert, aber in den letzten Jahren gab es keine aktive Gruppe mehr", sagt Neumann. Initialzündung für den Neustart war eine Filmvorführung in der Kulturfabrik. Der Streifen schilderte die Umstände des Uranabbaus in Australien – und verstörte viele Zuschauer. Unter ihnen war auch der Haseder Manuel Schwarz. "Ich gehe oft in die Kufa zum Feiern, das Thema Atomkraft war weit weg für mich", schildert er. Zu technischen Details von Atomkraftwerken wisse er nicht alles. "Aber eines ist völlig klar: Durch die Laufzeitverlängerung wird noch mehr Atommüll produziert. Und welcher Konzern kann garantieren, dass er den Müll für Zigtausende von Jahren sicher lagern kann?", fragt er. Die Konsequenz aus der Antwort findet er zwingend: "Dann darf es eben keine Atomkraft geben."
Nach dem Uranium-Film diskutierten etliche Zuschauer weiter. Und verabredeten einen regelmäßigen Treff. Jeden ersten Mittwoch im Monat um 20 Uhr kommt das Anti-Atom-Plenum nun in der Kulturfabrik zusammen. Es ist eine junge Gruppe mit vielen Studenten, meist Neueinsteiger im Kampf gegen die Kernenergie. Sie stellten fest, dass Hildesheim mitten in einem Dreieck liegt, genau zwischen dem maroden Atomlager Asse, dem künftigen Endlager Schacht Konrad und dem Atomkraftwerk Grohnde.
Der südwestliche Zipfel des Landkreises liegt innerhalb der 25-Kilometer-Zone, der um das Kraftwerk gezogen wird. Im Katastrophenfall händigen die Behörden dort allen Bewohnern unter 45 Jahren Jodtabletten aus. Die sollen verhindern, dass sich radioaktives Jod in den Schilddrüsen ablagert, was Krebs hervorrufen kann. Der Rest des Landkreises liegt in der 100-Kilometer-Zone. Sollte in Gronau Radioaktivität entweichen, verteilt die Kreisverwaltung hier Jodtabletten an alle unter 18 Jahren sowie Schwangere. Die Atomkraftgegner beruhigen solche Vorkehrungen nicht. "Wenn so etwas wie in Tschernobyl passiert, dann gibt es eine bis zu 300 Kilometer lange radioaktive Fahne und eine massive Kontamination der Gebiete", sagt Neumann.
Um auf diese Gefahr aufmerksam zu machen, sind die Atomkraftgegner mit dem Zug und in Fahrgemeinschaften nach Emmental gefahren. Hinter 40 Treckern, darunter zehn aus dem Wendland, formierte sich der Demonstrationszug Richtung Kraftwerk. Die Hildesheimer marschierten direkt hinter einem Lastwagen mit einer giftgelben Castor-Attrappe. Auf der Emmentaler Haupstraße ließen sich die Demonstranten schlagartig auf den Boden fallen: ein angedeuteter Atomtod, während die Einheimischen ihren Wocheneinkauf erledigten.
Unter so vielen Gleichgesinnten zu sein, war für die Hildesheimer ein Erlebnis. Anfangs klangen die Sprechchöre noch etwas schüchtern, erzählen sie, doch dann fi ng die Menge Feuer. Schwarz, der zusammen mit Kollegen in Hameln das Ankündigungs- Flugblatt entworfen hatte, war erleichtert. "Ich dachte: Jetzt sind wir endlich auf der Straße, die ganze Arbeit hat sich gelohnt." Neumann zog einen Bollerwagen mit Info-Material hinter sich her.
Und dann hielt er, der Neueinsteiger, eine Rede. Im Publikum waren immerhin Bauern aus dem Wendland, erprobt in Jahrzehnten des Gorleben-Widerstands. Nach der "Sitzprobe" wartet die Hildesheimer Gruppe nun auf die Nachricht, dass die Brennstäbe aus dem englischen Sellafield nach Grohnde auf die Reise gehen. Das Atomkraftwerk hat zwei Zufahrten, deren Blockade sei "eine sportliche Aufgabe", sagt Neumann. Doch neben dem Werben für ökologisch erzeugten Strom sei das der einzige Weg, etwas zu bewirken.
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