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Vor dem 5. Juni: Polizei bemüht sich um Verständnis / Bündnis gegen Rechts will andere Route
(Quelle: KEHRWIEDER am Sonntag, 30.05.10) Hildesheim. Die Stadt wird am kommenden Samstag zweigeteilt: Mit einem Großaufgebot wird die Polizei die Innenstadt von der Nordstadt abtrennen, den Bahnhof und alle Zufahrtsstraßen Richtung Norden strikt kontrollieren, die Steuerwalder Straße bewachen und absperren; die Bahnlinie wird zum innerstädtischen Grenzwall. Hildesheims Polizeichef erklärt, für die Bevölkerung solle es so wenig Einschränkungen wie möglich geben - doch es ist klar: Zu vermeiden sind sie natürlich nicht.
Wie mehrfach berichtet wollen Nazis - laut Anmeldung des Rechtsextremisten Dieter Riefling werden es rund 300 sein - unter dem Motto "Tag der deutschen Zukunft" aufmarschieren. Die Stadt hat ihnen die Steuerwalder Straße als Route zugewiesen, um sie aus der Innenstadt fernzuhalten: Vom Bahnhof aus geht es nach Norden gut zwei Kilometer bis zur Fichtestraße, wo eine Kundgebung geplant ist. Beobachter der rechten Szene halten es durchaus für möglich, dass es mehr als 300 Nazis werden, die sich auf den Weg nach Hildesheim machen. Riefling bemüht sich seit Wochen, bundesweit Gleichgesinnte zu mobilisieren. In einem zu diesem Zweck produzierten Online-Video prophezeit er den "Volkstod" wegen "Überfremdung".
Stadtverwaltung und Polizei lassen die Nordstadt zum Aufmarschgebiet der Rechtsextremisten werden, weil ihr wichtigstes Ziel ist, das zeitgleich stattfindende Michaelisfest auf dem Marktplatz und in der Innenstadt ohne Störungen zu gewährleisten. Zudem findet auf dem Angoulême- Platz eine Anti-Nazi-Kundgebung des Bündnisses gegen Rechts statt. "Wichtig ist die strikte Trennung von Rechten und der Gegendemo", bekräftigte Robert Kruse, Polizeipräsident der für Hildesheim zuständigen Polizeidirektion Göttingen, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Dass die Rechtsextremisten nun ausgerechnet durch den Stadtteil marschiere, in dem der Anteil ausländischer Einwohner besonders groß ist, hält das Bündnis gegen Rechts für schier unerträglich. Und auch Hildesheims Polizeichef Uwe Ippensen weiß: "Wir sind uns im Klaren darüber, dass die Nordstadtbevölkerung wenig Verständnis dafür hat, dass Rechte durch ihren Stadtteil ziehen." Die Polizeitaktik mache dies leider nötig. Um den Anwohnern Sorgen zu nehmen und sie über den Polizeieinsatz zu informieren, verteilen Beamte in der Nordstadt ab morgen Handzettel in deutscher, türkischer und arabischer Sprache. Zudem ist ein Bürgertelefon geschaltet, über das sich alle Hildesheimer ebenfalls ab Montag über den Ablauf am Samstag und mögliche Behinderungen informieren können.
Bei allem Verständnis für die Gegendemonstranten stellte Ippensen erneut klar, dass die Polizei keine Blockaden der Nazi-Route dulden werde. Die Steuerwalder Straße soll deshalb schon ab dem frühen Samstagmorgen mit Absperrungen freigehalten und von Beamten beobachtet werden. Eine weitere inzwischen angemeldete Kundgebung gegen Rechts im Friedrich-Nämsch- Park wird dort voraussichtlich nicht stattfinden dürfen; zumindest will die Polizei der Stadt dies wegen der Nähe zur Nazi-Demo empfehlen.
Die Kirchen hoffen unterdessen auf möglichst viele Teilnehmer ihres Michaelisfests und des ökumenischen Mittagsgebets. Superintendent Helmut Aßmann und seine Mitstreiter appellieren an alle Teilnehmer, am Samstag weiße Kleidung zu tragen, um ein deutlich sichtbares Zeichen gegen die meist dunkel oder schwarz gekleideten Rechtsextremisten zu setzen. Die Kirchen halten zudem 3.500 weiße T-Shirts mit dem Aufdruck "Engel gegen Rechts" bereit, die für fünf Euro zu bekommen sind. Aßmann und sein katholischer Kollege Stadtdechant Wolfgang Voges wollen aber auch die Verbindung zur Gegendemo des Anti- Nazi-Bündnisses schlagen und sich bewusst nicht abgrenzen. Das freut die Organisatoren Regina Stolte und Klaus Schäfer.
Die Gegendemonstranten sollen laut Stadt nach ihrer Kundgebung, die um 11 Uhr auf dem Angoulême-Platz beginnt, über die Bahnhofsallee und Zingel bis zum PvH ziehen. Diese Strecke lehnen Stolte und Schäfer aber ab, da sie so ungewollt das Michaelisfest in der Innenstadt beeinträchtigen könnten. Sie wollen stattdessen in Richtung Bahnhof und über die Bischof-Janssen-Straße ziehen. Stolte sieht sich derweil mit umfangreichen Auflagen durch die Stadt konfrontiert. So soll sie unter anderem dafür sorgen, dass sich bei der Gegendemo keine so genannten Schwarzen Blöcke dunkel gekleideter Demonstranten bildet. Wie sie das bewerkstelligen soll, ist ihr unklar. Der Gewerkschaftsbund will gegen die Auflage klagen.
Unterdessen haben Stolte und sechs weitere Bündnis-Mitglieder Vorladungen von der Polizei bekommen: Die Staatsanwaltschaft hatte Vorermittlungen aufgenommen, wegen des Verdachts, Stolte und andere hätten zu Blockaden der Nazi-Route aufgerufen. Stolte ist der Vorladung nach Absprache mit einem Anwalt nicht gefolgt. Sie sagt: "Ich warte jetzt ab, was passiert."
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