Harsumer Bürgermeisterkandidaten stellen sich den Fragen ihrer Wähler

Den Harsumern scheint’s ganz und gar nicht egal zu sein, wer künftig in ihrem Rathaus das Sagen hat. Die Podiumsdiskussion der Kolpingsfamilie Harsum mit den drei Kandidaten für das Bürgermeisteramt stieß auf enormes Interesse. Im Pfarrheim von St. Cäcilia wollten gut 130 Menschen Amtsinhaber Gundolf Kemnah (CDU) sowie seinen Herausforderern Birgit Beulen (SPD) und Jürgen Sander (Grüne) auf den Zahn fühlen.

Moderat im Ton, aber hart in der Sache / Mehr als 130 Zuhörer bei Podiumsdiskussion im Pfarrheim

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 02.09.11) Harsum. Den Harsumern scheint’s ganz und gar nicht egal zu sein, wer künftig in ihrem Rathaus das Sagen hat. Die Podiumsdiskussion der Kolpingsfamilie Harsum mit den drei Kandidaten für das Bürgermeisteramt stieß auf enormes Interesse. Im Pfarrheim von St. Cäcilia wollten gut 130 Menschen Amtsinhaber Gundolf Kemnah (CDU) sowie seinen Herausforderern Birgit Beulen (SPD) und Jürgen Sander (Grüne) auf den Zahn fühlen. Und herausfinden: Wem gebe ich am 11. September meine Stimme?

Die Kolpingsfamilien aus der Gemeinde hatten Fragen zu fünf Themenkomplexen zusammengestellt. Und die waren ziemlich konkret: Was will der neue Bürgermeister tun, damit Harsum lebenswert bleibt? Wo will er sparen, um die Schulden abzubauen? Was gedenkt er für die Jugendlichen in der Gemeinde zu tun? Wie können neue Firmen angesiedelt werden und wie steht es um die Verkehrssicherheit in den neun Ortschaften? Mit dem Sarstedter Heinrich Albers hatte die Kolpingsfamilie einen Moderator auf dem Podium, der sich in der Materie bestens auskennt. Albers war selbst in der Kommunalverwaltung tätig, unter anderem als Gemeindedirektor im Emsland.

Die Kandidaten gingen recht pfleglich miteinander um, verzichteten auf Polemik oder persönliche Angriffe. Sie diskutierten moderat im Ton, aber hart in der Sache. Kemnah versuchte, in der Rolle des erfahrenen Verwaltungsexperten zu punkten, Beulen als unkonventionelle Macherin, Sander als Visionär mit neuen, auch ungewohnten Ideen.

Lebensqualität und Nahversorgung:
Jürgen Sander will die "schlechten" Busverbindungen zwischen den kleinen Ortschaften verbessern, denkt an die Gründung von Bürgerläden, damit ältere Menschen in den Dörfern das Notwendigste einkaufen können. Nach Ansicht von Gundolf Kemnah ist der Busverkehr nicht so schlecht. "Bei Bedarf kann man über Hofläden nachdenken", sagte er. Ansonsten setzt der Bürgermeister auf Nachbarschaftshilfe. Jüngere Menschen könnten Ältere mit zum Einkaufen oder zum Arzt nehmen. Das sieht Birgit Beulen ähnlich, sie möchte zusätzlich ein Anrufsammeltaxi-System und einen Einkaufsservice aufbauen, dafür will sie die Hilfe Harsumer Firmen gewinnen.

Finanzpolitik:
"Der Haushalt ist ausgequetscht wie eine Zitrone", sagt Kemnah. Die Gemeinde verzichte aber weiterhin auf Sporthallengebühren und werde die Schwimmhalle erhalten. Sparpotenzial sieht er noch bei der Energieversorgung öffentlicher Gebäude, beim Personal nicht: "Das ist ausgereizt." Birgit Beulen setzt auf einen Mix aus Kürzen und höheren Einnahmen. Sie will alle Ausgaben durchforsten, selbst die kleinsten. Mehr Geld in die Kasse bringen soll die Gewerbesteuer durch die Ansiedlung weiterer Betriebe. Sander will die Bürger mitreden lassen, welche Ausgaben überflüssig sind. Bei den Energiekosten sieht er großes Potenzial.

Jugendpolitik:
Als ehemalige Sozialamtsleiterin in Sarstedt will Beulen ihre Erfahrungen in der Jugendpflege nutzen, eine Zukunftswerkstatt gründen, in der Verwaltung, Politik und Vereine mit Jugendlichen über deren Bedürfnisse sprechen. Die Vereinsjugendarbeit und die Harsumer Jugendpflege will sie besser vernetzen. Die Jugendpflege müsse auch auf die Dörfer kommen, sagte Sander. Er wolle einen eigenen Etat im Haushalt, über den die Jugendlichen und der Rat entscheiden. In der Gemeinde gebe es schon viele Angebote, sagte Kemnah. Nicht nur in der Jugendpflege und in den Vereinen. Er verwies auf die Jobbörse der ILEK-Börderegion, die Ausbildungsbrücke der Molitoris-Schule und die Jugendwerkstatt in Asel.

Wirtschaft und Gewerbeansiedlung:
Sander sieht nur begrenzte Einflussmöglichkeiten auf Großunternehmen. "Die Entscheidungen fallen in den Konzernzentralen." Er schlägt den Bau eines Blockheizkraftwerkes im Gewerbegebiet vor, so könne Harsum seinen Unternehmen günstig Energie anbieten. "Das ist ein echter Standortfaktor." Für Kemnah gilt es, die mehr als 1200 gewerblichen Arbeitsplätze in Harsum zu sichern und zugleich die Vermarktung der noch freien 35 000 Quadratmeter Gewerbeflächen zu forcieren. "Harsum ist ein potenter Gewerbestandort." Die Vermarktung der Gewerbeflächen will Beulen zur Chefsache machen, sie will in die Betriebe gehen, Kontakte auch zu kleinen Firmen knüpfen, die Pluspunkte Harsums aktiv bewerben.

Straßen und Verkehrssicherheit:
Seit Jahren ein Thema in der Gemeinde. Die Gefahrenpunkte sind bekannt: die Ampelkreuzung Morgenstern/B494, die Kreuzung mit fünf Einmündungen an der Volksbank in Borsum, die maroden Kreisstraßen am Morgenstern und zwischen Asel und Harsum, fehlende Radwege nach Borsum und Hönnersum. Doch die Entscheidungen über Um- und Ausbauten liegen bei Landkreis und der Straßenbaubehörde. Da blieb den Kandidaten nur die Zusage, ihren Einfluss weiterhin nach Kräften geltend zu machen. "Da müssen wir bohren und drängeln", sagte Birgit Beulen. Anders die Situation an der Kaiserstraße. Den Bewohnern des Baugebietes "Am Alten Bahnhof" ist der Fußweg ins Dorf zu gefährlich, eine Fußgängerampel soll mehr Sicherheit bringen.

Nach den Bürgermeisterkandidaten waren die Zuhörer an der Reihe. "Was kostet die Gemeinde die geplante Übernahme des Stromnetzes, gibt es Zahlen?", wollte Karl Pabst aus Klein Förste wissen. "Die Gemeinde werde nicht mehr, aber auch nicht weniger Konzessionsabgabe kassieren als heute", sagte Bürgermeister Gundolf Kemnah. Informationen über Einbußen von 300 000 Euro pro Jahr seien falsch. Zusätzlich erhalte die Kommune einen Teil der Durchleitungsgebühren. "Sollte das Projekt zu risikoreich sein, können wir jederzeit aussteigen."

"Würden Sie gegen Ihre eigene Partei stimmen, wenn es einer guten Sache dient?", fragte Winfried Bodenburg aus Borsum. Er entscheide nach seinem Gewissen, sagte Kemnah. Beim Bau der Brücke zwischen Borsum und Bründeln sowie der Dorferneuerung in Borsum habe er Abweichler aus der CDU "auf Kurs gebracht". Die Partei sei zwar im Hintergrund, letztlich werde sie im Interesse der Bürger abstimmen, so Birgit Beulen. Für Sander, den einzigen Grünen im Gemeinderat, stellt sich die Frage ohnehin nicht. "Als Bürgermeister werde ich geradezu gezwungen sein, mir ständig neue Mehrheiten zu suchen", sagte er.

"Frau Beulen, wenn Sie Bürgermeisterin sind, können Sie den Anwohnern am Morgenstern versprechen, dass dort kein Baugebiet mit Einkaufszentrum entsteht?", fragte Thomas Kollakowski aus Harsum. Der Ortsrat hatte ein solches Projekt abgelehnt, bei Beulen stößt es auf Sympathie. "Das kann ich nicht", sagte sie, als Bürgermeisterin müsse sie die Gesamtentwicklung Harsums im Auge haben. "Ich setze mich aber gern mit den Anwohnern zusammen."

Nach zweieinhalb Stunden hatten die Kandidaten Zeit für eine letzte Botschaft. "Warum sind Sie der bessere Bürgermeister?", fragte Moderator Albers der Reihe nach. "Weil die Zukunft keinen Verwaltungsfachmann, sondern Veränderungen und ein neues Denken braucht", sagte der Grüne Jürgen Sander. "Weil ich gute Arbeit mache, Menschen und Parteien zusammenführen kann und – weil ich auf dem Wahlzettel an erster Stelle stehe", sagte Amtsinhaber Gundolf Kemnah mit einem Schmunzeln. Birgit Beulen "Weil ich Mut habe, etwas zuwagen, ein gutes Netzwerk habe und anders bin als andere: ich bin ich."

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Gemeinde Harsum | Wahlen

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