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(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 19.08.09) Hildesheim. Die Grüne Brigitte Pothmer hat sich zum Bundestagswahlkampf gestern den Spitzenkandidaten ihrer Partei in die Stadt geholt: Jürgen Trittin, Ex-Umweltminister. In der Fußgängerzone verteilten die beiden Blumen – für die Regierungsparteien und die FDP gab es beim anschließenden Redaktionsgespräch aber keine mehr.
Mag ja sein, dass einige der Passanten vor der Jakobikirche sich einfach nur über die Sonnenblumen freuen, die ihnen der freundliche Herr im grauen Anzug da in die Hand drückt. Sarah (9) und Melissa (8) zum Beispiel, die den Mann mit der grünen Krawatte nicht kennen und angestrengt über seine Identität grübeln: "Also der Bürgermeister kann’s schon mal nicht sein", meint Sarah und zuckt schließlich die Schultern. Sie ist damit aber die Ausnahme. Dass "der Trittin" ja sehr groß sei, und dass er besser aussehe als im Fernsehen, stellen Passantinnen gleich reihenweise fest.
Doch dem Politiker ("Wir erfahren in diesem Jahr viel Wohlwollen auf der Straße") und seiner ganz in Grün gekleideten Hildesheimer Kollegin Pothmer geht es um mehr als nur um Blümchen. Das bekommt eine Hartz-IV-Empfängerin zu spüren, die scherzhaft fragt, ob sie denn 100 Euro bekomme, wenn sie Grün wähle. Trittin sucht sofort das Gespräch: "Nicht hundert! Aber mit uns gäbe es immerhin 420 Euro im Monat, weil wir meinen, dass 350 zu wenig sind zum Leben." Die Frau nickt.
Wie Trittin und seine Partei das bezahlen wollen, verrät er anschließend im Redaktionsgespräch. "Das würde 10 Milliarden kosten, exakt der Zuschuss für den Gesundheitsfonds, den wir durch eine Bürgerversicherung ersetzen wollen." Auch die übrigen Politikziele der Grünen kosten – etwa der Plan, massiv in Bildung zu investieren, in garantierte Kita-Plätze von Anfang an, Ganztagsschulen für alle und ein Ende der Studiengebühren. Ein neuer "Lastenausgleich" soll dafür das nötige Geld bringen – das Privatvermögen der deutschen Millionäre ist in Trittins Rechnung durchaus für einen zweistelligen Milliardenbetrag gut.
Dass aber die Investitionen in Bildung, Soziales und vor allem in die Umwelt nötig sind, liegt für die Grünen auf der Hand. "Umwelt schafft Arbeit", lautet ihr Credo, eine Million neue Jobs wollen sie ihrem grünen "New Deal" zufolge schaffen. Bei etwa 20 Milliarden läge laut Trittin die nötige Neuverschuldung, würden die Pläne seiner Partei umgesetzt. "50 Milliarden bei der CDU, 80 bei der FDP, und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir auch deutlich unter der SPD liegen", sagt der Spitzenkandidat und lässt dem typischen Trittin-Lachen freien Lauf.
Nicht zum Lachen, da sind sich die beiden Grünen einig, sind die Aussichten für den kommenden Herbst – nach der Bundestagswahl. "Viele, die jetzt noch in der Kurzarbeit sind, werden dann zu Arbeitslosen", sagt Brigitte Pothmer. Die Million neuer Arbeitsplätze sei deshalb auch nötig, um die schlimmsten Folgen der Krise zu mildern. Und die Abwrack-Prämie? Die habe jetzt nur Überstunden erzeugt, ätzt Trittin: "Nächstes Jahr erzeugt sie Kurzarbeit." Schlimmer noch: Im Wettrennen ums Hybrid- und Elektroauto habe die Abwrackprämie die deutschen Hersteller um Jahre zurückgeworfen.
In Sachen Wahlausgang zeigt sich der Grüne übrigens kämpferisch. Sein Ziel, die Grünen zur drittstärksten Kraft zu machen, schwarz-gelb zu verhindern, hält er für erreichbar. "Ich glaube nicht, dass es für eine Konstellation reicht, in der eine große mit einer kleinen Partei regieren kann – wir werden eine sehr spannende Phase der Verhandlungen und des Gepokers erleben."
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