Gronau bangt: Bund kürzt – Kino schließt?

Jobcenter hat weniger Geld und neue Strategie – und viele Einrichtungen sind in ihrer Existenz bedroht Wer im Gronauer Kino Harry Potter guckt oder im Bantelner Naturbad seine Runden dreht, entspannt sich und denkt vermutlich nicht an Sozialministerin Ursula von der Leyen und den Deutschen Bundestag. Doch deren erstaunlich langer Arm reicht aktuell bis in die Sitzreihen der Lichtspiele und in die Fluten des Badeteichs.

Jobcenter hat weniger Geld und neue Strategie – und viele Einrichtungen sind in ihrer Existenz bedroht

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 15.12.10) Kreis Hildesheim/Gronau. Wer im Gronauer Kino Harry Potter guckt oder im Bantelner Naturbad seine Runden dreht, entspannt sich und denkt vermutlich nicht an Sozialministerin Ursula von der Leyen und den Deutschen Bundestag. Doch deren erstaunlich langer Arm reicht aktuell bis in die Sitzreihen der Lichtspiele und in die Fluten des Badeteichs.

Das Hildesheimer Jobcenter hat im nächsten Jahr deutlich weniger Geld für die Förderung von Arbeitslosen zur Verfügung. Die Behörde kürzt deshalb gewaltig bei sogenannten Arbeitsgelegenheiten – mit erheblichen Folgen für Vereine und Kulturträger im Landkreis. In der Samtgemeinde Gronau wehren sich jetzt vier betroffene Verbände: Das Kino, das Naturbad Banteln, das Lachszentrum und das Schießkino Oberg bangen um ihre Zukunft, weil sie mit den Hilfskräften vom Jobcenter kalkuliert hatten.

Beispiel Kino: Der Kulturkreis Gronau, ein Verein mit rund 100 Mitgliedern, hat 2002 den Betrieb der "Gronauer Lichtspiele" übernommen. Knapp 10 000 Besucher pro Jahr erfreuen sich am Mix aus aktuellen Kassenschlagern und älteren Streifen sowie einzelnen Sonderveranstaltungen. Doch der Kulturkreis kann sich das nur leisten, weil er zwei Filmvorführer beschäftigt, deren Gehalt ihm das Jobcenter erstattet. Die beiden arbeiten 39 und 30 Stunden pro Woche im Rahmen einer sogenannten "Arbeitsgelegenheit mit Entgelt". Sie führen aber nicht nur Filme vor, sondern sitzen auch an der Kasse, im Kiosk, räumen auf und machen die Abrechnung. Eine weitere Hilfskraft sitzt im Kulturkreis-Büro. "Ohne diese Menschen können wir das Programm nicht aufrecht erhalten", fürchtet die Kulturkreis-Vorsitzende Gudrun Kunze. "Dann können wir nur noch ein paar Extra- Veranstaltungen machen, aber kein Programmkino mehr – vielleicht müssen wir ab April auch schließen."

Beispiel Lachszentrum: Der Verein "Leine Lachs" bekam bisher zwei Mitarbeiter in Entgeltvariante vom Jobcenter gefördert. Das Lachszentrum soll ein "professionell aufgezogenes, einzigartiges Arten- und Naturschutzprojekt werden", sagt der Vorsitzende Günter Ohnesorge. Grundlage dafür: Ein auf drei Jahre angelegtes Konzept zum Umbau und für die Öffentlichkeitsarbeit. Unter der Annahme, dass die arbeitslosen Hilfskräfte vom Jobcenter noch zwei Jahre zur Verfügung stehen.

Beispiel Naturbad Banteln: Seit zwei Jahren führt ein 50-jähriger Spätaussiedler die Badeaufsicht. "Er kümmert sich um alles, identifiziert sich total und garantiert bei Bedarf an zehn Stunden pro Tag sieben Tage die Woche die Sicherheit der Badegäste", schwärmt Fördervereins- Chef Friedrich-Georg Block- Grupe. "Auf dem ersten Arbeitsmarkt hätte er durch sein Alter und seine Sprachprobleme kaum Chancen, für uns ist er perfekt." Aber nur, wenn das Jobcenter wie bisher einen Großteil des Gehalts zahlt.

Beispiel Schießstand Oberg bei Banteln: Beamte von Spezial-Einsatzkommandos (SEK) und Hildesheimer Polizisten trainieren dort insgesamt an vier Tagen in der Woche, hinzu kommen Jäger und solche, die es werden wollen. Zudem kümmert sich der Verein um Nistkästen und mehrere Biotope auf dem großen Areal. "Auch dieser Betrieb wäre in der Form ohne einen geförderten Mitarbeiter nicht möglich", klagt Block-Grupe, der in diesem Verein stellvertretender Vorsitzender ist.

Vier Beispiele – und im Rest des Landkreises dürfte es noch einige mehr geben. Gemein ist ihnen: Alle übernehmen letztlich staatliche Aufgaben – PolizeiÜbungsgelände, Naturpflege, Kultur, Schwimmbad. Stets ist das Problem, dass die Arbeit ehrenamtlich nicht zu leisten ist, Angestellte ohne Jobcenter-Unterstützung aber nicht bezahlbar sind. Und: "Die Leute arbeiten bei uns gut und vor allem gern – die schickt man zurück in die Tatenlosigkeit", klagt Block-Grupe. Er hat auch den CDU-Bundestagsabgeordneten Eckart von Klaeden angeschrieben: "Wir möchten zeigen, welche Folgen das Handeln des Bundes vor Ort hat."

Hildesheims Jobcenter-Chef Horst Gabriel zeigt zwar Verständnis für die Sorgen der Vereine – in der Sache aber bleibt er hart: "Ziel der Förderung ist ja nicht, Projekte und Vereine zu unterstützen, sondern Menschen näher an den Arbeitsmarkt zu bringen." Das Ganze habe vielen Vereinen gut ins Konzept gepasst, vielleicht seien auch falsche Erwartungen geweckt worden.

Doch hinzu kommen noch zwei weitere Aspekte: Der Bund setzt andere Schwerpunkte als bisher – und stellt den Jobcentern weniger Geld zur Verfügung. Der Bund kürzt das Geld für "Eingliederungshilfen" für das kommende Jahr von 6,6 auf 5,3 Milliarden Euro. Ein Minus von 20 Prozent. In Hildesheim sinkt der entsprechende Etat sogar noch deutlicher – von 21 auf 15,7 Millionen. "Und 2012 wird es nochmal deutlich weniger", kündigt Horst Gabriel an.

Seien Behörde hat reagiert: Statt 251 "Arbeitsgelegenheiten" wie in Gronau und Banteln gibt es in Stadt und Landkreis dann nur noch 29. Da bleibt für die Vereine nicht mehr viel über. Im Gegenzug soll es 824 statt 552 Stellen für Ein- Euro-Jobber geben, aber die sind an weit härtere Bedingungen geknüpft und können Vereinen wie im Gronauer Fall nicht weiterhelfen.

Hinzu kommt laut Gabriel, dass Geld künftig vor allem fließen soll, um Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt zu bezuschussen und Fortbildungen und Schulungen zu bezahlen – für geförderte Dauerjobs sei da kaum noch Spielraum. "Die Vereine müssen andere Lösungen finden", sagt Horst Gabriel.

Er ist in zwei Wochen weg, arbeitet ab Januar in Nürnberg. Seine Nachfolgerin Sabine Fricke war gestern nicht zu erreichen.

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