forsa-Schock bringt Parteien ins Grübeln

Die schlechte Wahlbeteiligung, die das Meinungsforschungs- Institut forsa für die Kommunalwahl voraussagt, hat bei den Parteien eine gewisse Ratlosigkeit ausgelöst. Mehrere Sprecher bezeichneten die Prognose als erschreckend, allerdings auch als wenig überraschend. Doch auf die Frage, wie die Bürger für die Wahl zu begeistern wären, weiß niemand eine Antwort. forsa hat eine Wahlbereitschaft von 58 Prozent ermittelt, geht aber von einer deutlich niedrigeren Beteiligung am Sonntag aus.

Parteien rätseln über Unlust zur Mitbestimmung und drehen Spieß um: Bürger wissen Demokratie nicht zu schätzen

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 08.09.11) Hildesheim. Die schlechte Wahlbeteiligung, die das Meinungsforschungs- Institut forsa für die Kommunalwahl voraussagt, hat bei den Parteien eine gewisse Ratlosigkeit ausgelöst. Mehrere Sprecher bezeichneten die Prognose als erschreckend, allerdings auch als wenig überraschend. Doch auf die Frage, wie die Bürger für die Wahl zu begeistern wären, weiß niemand eine Antwort. forsa hat eine Wahlbereitschaft von 58 Prozent ermittelt, geht aber von einer deutlich niedrigeren Beteiligung am Sonntag aus.

Dass nur wenige Hildesheimer am 11. September den Gang ins Wahllokal planen, damit hat Grünen-Fraktionschef Ulrich Räbiger gerechnet. Aber dass die Lust zum Mitbestimmen seit der ersten forsa-Umfrage für die HAZ im Mai noch um sechs Prozentpunkte gesunken ist, das bringt auch ihn ins Grübeln. "Ich hatte erwartet, dass es mehr wird."

Woran’s liegt? Da zuckt Räbiger mit den Schultern: "Wenn es nur uns treffen würde, ließe sich das mit dem Fukushima-Effekt erklären." Doch tatsächlich ist auch in den Lagern von CDU und SPD die Wahllust markant gesunken. Den Ursachen lasse sich erst nach der Wahl auf den Grund gehen, meint der Grünen-Chef. Denn vielleicht sehe es in vergleichbaren Städten ähnlich aus. "Handelt es sich aber um ein spezielles Hildesheimer Problem, wäre das Ganze noch schlimmer."

Der Bündnis!-Fraktionschef Thomas Müller findet die Lage bereits schlimm genug. "Da ist bis Sonntag auch nichts mehr zu machen." Er habe ohnehin mit einer geringen Wahlbeteiligung gerechnet, sagt Müller, der diese Ahnung unter anderem auf eine Erfahrung bei einer Veranstaltung auf der Marienburger Höhe stützt. "Von 32 Teilnehmern waren 16 Kandidaten – die Leute kommen einfach nicht", ärgert sich der Bündnis!-Chef. Viele Menschen klagten über Politik, unterließen es aber, sich einzubringen. "Anderswo kämpfen Menschen für freie Wahlen, riskieren Leib und Leben – hier halten die Bürger alles für selbstverständlich." Aber mit einer Patentlösung könne er auch nicht dienen, räumt Müller ein.

Vor allem das Desinteresse junger Menschen stößt Hans-Uwe Bringmann auf. "Gerade die, die immer mitbestimmen wollen, beteiligen sich nicht an der Demokratie", wettert das Vorstandsmitglied der Unabhängigen. Diese hätten sich sehr um junge Menschen als Mitstreiter bemüht, berichtet Bringmann – allerdings nur mit leidlichem Erfolg. "Keiner will was machen, das kennen andere ja auch."

FDP-Vorsitzender Sven Tänzer sieht in der Wahl-Unlust ebenfalls einen Mangel an Wertschätzung für die Demokratie. "Die Nichtwähler sollten sich aber klarmachen, dass sie ihre Rechte nicht wahrnehmen." Dass wiederum in Mecklenburg- Vorpommern ein Viertel der Wähler für radikale Parteien gestimmt habe ("da gehört die Linke für mich dazu"), empört den Chef der Liberalen. Man könne durchaus über gute oder schlechte Politik streiten, räumt Tänzer ein: "Aber Radikale – die spalten die Gesellschaft."

Gleichwohl führt der FDP-Chef einen Teil der Schuld für die geringe Wahlbereitschaft auf die besonderen Hildesheimer Verhältnisse zurück. So hätten sich CDU und SPD durch ihre Zusammenarbeit blockiert: "Die Bürger haben das Gefühl, im Rat passiert nichts."

Ein Eindruck, den SPD-Vorsitzende Jutta Rübke keineswegs stehen lassen will. Die Abwasserbeseitigung sei in eine eigene Gesellschaft überführt worden, es gebe nun auch in der Innenstadt Ortsräte: "Es ist eine ganze Menge geschehen." Doch auch die SPD-Chefin empfindet die sich abzeichnende geringe Wahlbeteiligung als "Katastrophe" – und teilt zumindest Tänzers Gefühl, einige Bürger hätten resigniert. "Sie glauben, es ginge auch ohne sie – und sie zweifeln am Veränderungswillen der Politik." Der sei aber sehr wohl vorhanden, versichert Rübke. Sie sieht denn auch nicht ganz schwarz für Sonntag, vor allem in den fünf neuen Ortsrats-Wahlbereichen. "Vielleicht lassen sich einige Bürger dort motivieren, doch zur Wahl zu gehen." Zumal die Meteorologen für den 11. September schönes Wetter voraussagen.

CDU-Vorsitzende Eva Möllring ist ohnehin guter Dinge. Denn stimmten tatsächlich die von forsa ermittelten 58 Prozent der Wahlberechtigten ab, seien das deutlich mehr als die 42 Prozent vor fünf Jahren. Die Parteien hätten sich allesamt schwer ins Zeug gelegt, auch die Hildesheimer Allgemeine Zeitung habe intensiv berichtet. "Viel mehr kann man für eine Kommunalwahl nicht machen."

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