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Kommentar von Tarek Abu Ajamieh, Ressortleiter Landkreis der Hildesheimer Allg. Zeitung
(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 27.08.11) Ein Verlierer im Finanzpoker zwischen Stadt und Landkreis zeichnet sich bereits ab: der Steuerzahler. Denn wenn der Landkreis mehr Geld an die Stadt zahlt und woanders nicht deutlich spart, muss das Geld aus den Taschen der Bürger kommen – oder sie bekommen weniger Leistungen.
Müssen in Schellerten oder Elze die Steuern erhöht oder Einrichtungen geschlossen werden, um Hildesheim bei der Entschuldung zu helfen? Darauf könnte es hinauslaufen, wenn der Landkreis mehr Geld als bisher an die Stadt Hildesheim zahlen muss. Das macht kurz vor der Kommunalwahl viele Bürgermeister und Kreistags-Politiker nervös. Es wächst die Angst vor der Reaktion der Wähler. Zumal drei Viertel der Landkreis-Bürgermeister bei einer HAZ-Umfrage in Januar ablehnten, dass die Stadt mehr Geld vom Landkreis bekommt.
Formal korrekte Verwaltungsleute halten dem entgegen, es gehe ja gar nicht darum, dass der Landkreis mehr Geld überweisen solle. Mag sein. Doch hinter der komplexen "Neuregelung der Finanzbeziehungen" steckt genommen nichts anderes. Die Stadt soll besser gestellt werden. 16 Millionen Euro nennt Hildesheims OB Kurt Machens seit Wochen. Die Summe ist der größte Batzen im Entschuldungskonzept der klammen Kreisstadt. Die Stadt möchte Aufgaben wie Jugendhilfe, Schulen und Sozialamt, die sie für den Landkreis übernommen hat, angemessen bezahlt sehen.
Landkreis-Vertreter halten die Summe für zu hoch, auch wenn sich beide Seiten offenbar annähern. Doch ob 16 oder 14 Millionen Euro (pro Jahr, nicht einmalig): Das Geld liegt nicht bei Landrat Reiner Wegner unter der Matratze, es muss irgendwo herkommen. Heißt: Der Landkreis muss es an anderer Stelle einsparen oder zusätzlich einnehmen.
Einsparen wird nicht leicht. Der Landkreis hat, ebenso wie seine Kommunen, in den vergangenen Jahren viel Personal abgebaut und seine Finanzen konsolidiert. Und wenn im dicken Haushaltsplan sicher noch der eine oder andere Posten steckt, der verzichtbar wäre – Millionensummen dürften schwer zu finden sein. Womit man schnell bei der Frage wäre, ob die Behörde vielleicht bei der Unterhaltung von Schulen oder Straßen sparen soll. Das dürfte aber kaum ein Bürger sinnvoll finden.
Also mehr einnehmen? An dieser Stelle legt jeder Bürgermeister die Stirn in Falten. Denn woher bekommt der Landkreis sein Geld? Fast komplett von den Städten und Gemeinden. Diese bezahlen die sogenannte Kreisumlage, geben so einen guten Teil ihrer Einnahmen an den Kreis weiter. Die praktisch einzige Möglichkeit des Landkreises, mehr Geld einzunehmen, bestünde in der Erhöhung dieser Kreisumlage.
In diesem Fall wären wir wieder bei den Steuern etwa in Schellerten oder Elze. Die Kommunen sind sozusagen das vorletzte Glied in der Nahrungskette, dahinter kommen nur noch die Bürger. Müssten die Städte und Gemeinden also mehr an den Landkreis zahlen, weil der mehr an die Stadt Hildesheim überweisen muss, stehen alle 18 Kommunen vor der Frage: Woher nehmen wir das Geld? Ein Beispiel: Käme es zu den16 Millionen unterm Strich und würde der Landkreis den Betrag an die Kommunen weiterreichen, wären Städte wie Sarstedt oder Alfeld mit je rund 2 Millionen Euro dabei – mit knapp 100 Euro pro Einwohner und Jahr kann man rechnen. Auch wenn sich Stadt und Landkreis auf die Hälfte einigen, blieben immer noch imposante Summen übrig. Bäder schließen? Grundsteuern verdoppeln? Klar, dass die Kommunalpolitiker das fürchten, die Bürger würden auf die Barrikaden gehen. Viele Kommunen würden ihr letztes bisschen Handlungsfähigkeit einbüßen.
Das kann keine Lösung sein. Einfach die 16 (oder acht) Millionen für Hildesheim zusätzlich ins staatliche System zu holen, wäre zu simpel. Stadt und Landkreismüssen den Betrag zusammen einsparen. Jugend, Schule, Soziales, Personal, EDV, Umwelt – es gibt genug Bereiche, die sie zusammenlegen können. Dass der eine oder andere dabei etwas "nicht will", darf keine Kategorie sein. Wo das Jugendamt steht und wem es "gehört", ist den Bürgern egal. Hauptsache, da sitzen kompetente Leute.
Das Ganze darf auch nicht in ein persönliches Duell zwischen OB Machens und Landrat Wegner ausarten. Die führen keine Unternehmen, sondern Behörden. Steuergeld dient nicht der Befriedigung persönlichen Ehrgeizes oder dem Erhalt von Ämtermacht.
Stadt und Landkreis haben die Chance, zusammen zu sparen. Es kann nicht sein, dass nach Abschluss des Finanzvertrages die Erledigung der gleichen Aufgaben durch Stadt und Landkreis für den Steuerzahler plötzlich teurer wird als vorher. Zudem gehört es sich, den Bürgern vor der Wahl reinen Wein über die finanzielle Zukunft von Landkreis, Stadt und Kommunen einzuschenken. Würde sich deren finanzielle Lage kurz nach der Wahl durch den Finanzvertrag plötzlich deutlich verändern, wären viele Pläne von vorher Makulatur – der Bürgermüsste aber fünf Jahre warten, bis er darüber urteilen darf. Davor darf er nur zahlen.
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