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Recht und Gesetz gegen Humanität? Kreistags-Debatte offenbart tiefe Gräben - und viel Ratlosigkeit
(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 12.10.12) Kreis Hildesheim. Der Kreistag wünscht sich die Rückkehr von Gazale Salame und ihren zwei jüngeren Kindern nach Deutschland und erkennt es als ihr Heimatland an. Das sind die Kernsätze einer Resolution zum Fall der vor sieben Jahren abgeschobenen Gazale Salame, die das Gremium gestern beschlossen hat. SPD und Grüne brachten das Papier mit ihrer Mehrheit durch, auch Piraten und Linke stimmten dafür. CDU und FDP votierten geschlossen dagegen.
Höhepunkt der teils emotionalen Debatte war der Auftritt des Grünen Ekkehard Domning: "Ich schäme mich für das Handeln der Verantwortlichen", rief er, nachdem er zuvor Gazale Salame virtuell angesprochen hatte: "Als deutscher Patriot kann ich nicht verstehen, warum mein Heimatland Ihnen das antut."
Tut Deutschland Gazale Salame etwas an, oder läuft alles nach Recht und Gesetz und geht deshalb nicht anders? Darum drehte sich die Diskussion, die für den Kreistag ungewohnt leidenschaftlich verlief. Iris Siekiera (SPD) hatte zunächst daran erinnert, wie die schwangere Gazale Salame am 10. Februar 2005 zusammen mit ihrer dritten Tochter abgeschoben wurde, während ihr Mann Ahmed Siala gerade die beiden älteren Töchter zur Schule brachte. Sie kritisierte, dass Salame darunter leiden müsse, dass ihre Eltern falsche Personalien angegeben hätten, als sie selbst erst sieben war. "Wenn ein Mensch einen Mord begeht, verbietet es das deutsche Gesetz, Kinder und Enkel zu bestrafen!", rief sie.
Die CDU/FDP-Resolution präsentierte Klaus Krumfuß. Schwarz-Gelb weist darin zunächst die "negative Berichterstattung über den Landkreis" zurück. Und weiter: "Der Kreistag begrüßt, dass die Entscheidungen der Kreisverwaltung in allen gerichtlichen Verfahren Bestand hatten." Aus humanitären Gründen solle Salame aber zumindest der Besuch ihrer Kinder ermöglicht werden, auch solle sich der Landkreis weiter "im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten für die Rückkehr einsetzen". Kritik üben CDU und FDP an Salame-Ehemann Ahmed Siala (das Paar ist nach islamischem Recht verheiratet, nicht nach deutschem Recht). Er habe Vereinbarungen, die zur Rückkehr seiner Frau hätten führen können, nicht eingehalten. Krumfuß betonte: "Es geht um Menschen." Wer Familie habe, wisse, wie wichtig diese sei. Aber er sagte auch: "Wenn es nicht nach Recht und Gesetz ginge, wäre das Willkür." Er erklärte zugleich, das Innenministerium und Bundesamt für Migration den Fall derzeit noch einmal prüften.
Ottmar von Holtz (Grüne) setzte einen anderen Schwerpunkt: "Es geht um das Schicksal der Frau und nicht darum, was Herr Siala tut oder nicht tut. Es kann nicht sein, dass das Schicksal einer Frau vom Verhalten ihres Mannes abhängig ist." Da applaudierten ausgerechnet die Azubis der Kreisverwaltung im Publikum - und mussten sich belehren lassen, dass das im Kreistag verboten ist.
Der Landkreis beklage, bundesweit in ein schlechtes Licht geraten zu sein. "Aber es gibt Spielräume, andere Landkreise haben solche Fälle anders gelöst." Von Holtz betonte: "Es gibt kein einheitliches Rechtsbild in diesem Fall, auch wenn Sie das gern hätten." Ein Aspekt, den Klaus Bruer (SPD) später aufgriff: "Das Recht ist nicht fest, es hat Grauzonen, sonst wären Sie, Herr Berndt (CDU-Fraktionschef Christian Berndt, Anm. d. Red.), und meine Tochter als Juristen arbeitslos." Von Holtz klagte zudem, in 20 Jahren habe es Deutschland nicht geschafft, Gazale Salame Klarheit über ihren rechtlichen Status zu liefern.
"Es gibt Normen. Entscheidungen nach Gefühl und Wellenschlag im Einzelfall führen zu noch mehr Unrecht", konterte Christian Berndt. Eine "humanitäre Resolution" hätte die CDU mitgetragen, sagte er. "Doch Ihr eigentliches Ziel ist es, Bund und Land anzugreifen. Das tragen wir nicht mit." Was wiederum Bruer empörte: "Die Resolution ist total moderat, da wird niemand angegriffen."
Wer auf eine Stellungnahme von Landrat Reiner Wegner (SPD) gewartet hatte, wartete vergeblich. Er erklärte lediglich, sich bei der Abstimmung zu enthalten, da er als Vorgesetzter einer beteiligten Behörde "keine falschen Rückschlüsse" zulassen wolle. Er sagte nur: "Der Landkreis wird sich einer humanitären Lösung nicht verschließen."
Dafür sprach Ordnungs-Dezernent Manfred Hartmann. Sein Bereich habe mit Aufgaben zu tun, die EU, Bund und Land dem Kreis übertragen hätten. "Er ist der Gestaltung durch die Kommunalpolitik und meine Person weitgehend entzogen." Er erinnerte daran, dass Salames Eltern zwei Asylanträge gestellt hätten, die abgelehnt worden seien. "Vielleicht trägt der lange Rechtsweg in Deutschland auch dazu bei, dass Menschen immer sesshafter werden und das Gefühl entwickeln, sie gehörten hierher", sagte er mit Blick auf die Dauer des Verfahrens.
Am Ende stimmte Rot-Grün mit Linken und Piraten für seine Resolution, Schwarz-Gelb für die eigene. Unabhängige, Bündnis und Landrat Wegner enthielten sich.
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