BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kreisverband Hildesheim

Erst das Hochzeitsfoto, dann der Wahlkampf

Die Hildesheimer Basis hat Özdemir für einen Vorwahlkampf- Auftritt gewinnen können, knapp 50 Zuhörer lassen sich an den Stand vor der Ratsapotheke locken. Es geht viel um die Energiewende, der Parteichef erklärt, warum die Grünen mit der Regierung für den Atom-Ausstieg erst 2022 stimmen wollen, obwohl sie ihn sich eigentlich fünf Jahre eher wünschen.

Cem Özdemir, der Bundesvorsitzende der Grünen, punktet vor allem mit dem Thema Integration bei den Hildesheimern

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 22.06.11) Hildesheim. Diese Chance lässt sich Haluk Özlük nicht entgehen. Spaziert da doch tatsächlich Cem Özdemir über den Marktplatz! Just in dem Moment, als Özlüks frischvermählter Sohn und dessen Braut das Standesamt verlassen. Und so kommt es, dass auf dem Hochzeitfoto des Paares für alle Ewigkeit neben den geladenen Gästen auch der Bundesvorsitzende der Grünen in die Kamera lächelt. Ganz vorn, gleich neben der Familie, in der ersten Reihe. Denn dass es Özdemir als Deutschtürke auch auf der bundespolitischen Bühne in eine Spitzenposition geschafft hat, erfüllt viele Migranten mit Stolz. "Toll, was der macht!", sagt Bräutigam- Vater Özlük. Und strahlt.

Wie angesehen der Parteichef gerade bei Menschen mit ausländischen Wurzeln ist, zeigt sich auch ein paar Minuten später ein paar Meter weiter. Die Hildesheimer Basis hat Özdemir für einen Vorwahlkampf- Auftritt gewinnen können, knapp 50 Zuhörer lassen sich an den Stand vor der Ratsapotheke locken. Es geht viel um die Energiewende, der Parteichef erklärt, warum die Grünen mit der Regierung für den Atom-Ausstieg erst 2022 stimmen wollen, obwohl sie ihn sich eigentlich fünf Jahre eher wünschen. "Weil es ein gutes Signal ist, wenn die Parteien das Atomzeit-Ende gemeinsam besiegeln." Özdemir wirbt für ein zügiges Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien, fordert mehr Windkraftanlagen in Süddeutschland. Denn dann müssten die Netze deutlich kürzer sein. Und er betont die Bedeutung soziokultureller Arbeit in Einrichtungen wie der Kulturfabrik, die er kurz vor seinem Auftritt in der Fußgängerzone besichtigt hat.

Alles richtig, findet das Publikum, einige in der Runde nicken. Doch Beifall bekommt Özdemir erst, als er über Integration redet. Als er sagt, dass die Grünen die Menschen nicht danach beurteilen, wo sie herkommen, sondern wo sie hinwollen. "Wer hier lebt, die Ärmel hochkrempelt und sich für die Stadt einsetzt, der ist Hildesheimer. Egal, welche Vorfahren er hat", ruft der 44-Jährige. Und spricht seinen Zuhörern aus dem Herzen.

Die meisten stammen ebenfalls aus anderen Ländern, vor allem Deutschtürken sind stark vertreten – nicht nur, weil die Grünen ihre Hildesheimer Vertretungen eingeladen haben. Viele Zuhörer suchen nach Özdemirs Rede das direkte Gespräch, plaudern mit ihm auf Türkisch über ihre Anliegen – wie jene Frau, die in einer Region in Griechenland aufgewachsen ist, wo die türkische Minderheit einen schweren Stand hat. Özdemir kennt die Volksgruppe, weiß um deren Nöte, mit einem Lächeln lässt die Frau den nächsten an die Reihe. Fast alle, die mit dem 44-Jährigen ein paar Worte wechseln, wirken danach froh. Ein Mann mit dunkler Hautfarbe indes findet bei dem Grünen keinen Trost. Denn auch sie könnten nicht ändern, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund in Hildesheim wenig Aussicht auf einen Arbeitsplatz hätten: "Die Stadt ist so konservativ." Der Parteichef rät, bei den Grünen mitzumachen, kann aber bei dem Mann nicht landen. Dafür aber beim CDU-Ratsherren Enzo Calvanico. Der hat geduldig in der Schlange gewartet, angetan zugehört ("er ist ein guter Mann"). Nun will der Italiener von Özedmir wissen, wie Politiker zur Integration beitragen können: "Denn mit Gesetzen lässt sich das nicht erreichen." Stimmt, findet der Grüne. Politik könne nur den Rahmen bieten. Wichtig sei es, Deutsch zu sprechen, zur Schule zu gehen. "Aber woran die Menschen glauben und wie sie das tun – da sollte sich Politik nicht einmischen." Ein Satz, der in der Hochzeitsgesellschaft der Özlüks gewiss gut angekommen wäre. CDU-Mann Calvanico jedenfalls zieht zufrieden ab.

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