Erreicht der Boom der Grünen bald Sarstedt?

Atomkraft ist das zentrale Thema der Grünen. Durch die Reaktorkatastrophe in Folge des Erdbebens im japanischen Fukushima ist die Diskussion um den Ausstieg aus der Atomkraft wieder entflammt. Der Grünen-Ratsherr Harald Sander wollte diese Diskussion mit dem Film "Albtraum Atommüll" auch nach Sarstedt holen.

Atom-Diskussion soll auch den Grünen in Sarstedt mehr Stimmen und Mitglieder bescheren

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 08.04.11) Sarstedt. Atomkraft ist das zentrale Thema der Grünen. Durch die Reaktorkatastrophe in Folge des Erdbebens im japanischen Fukushima ist die Diskussion um den Ausstieg aus der Atomkraft wieder entflammt. Der Grünen-Ratsherr Harald Sander wollte diese Diskussion mit dem Film "Albtraum Atommüll" auch nach Sarstedt holen – und stieß damit bei den Bürgern auf wenig Interesse. Dabei zeigte der Film, dass sich noch etwa 6000 Generationen mit der Entsorgung des Atommülls beschäftigen müssen. Dauere es doch bis zu 200000 Jahre, bis radioaktiver Abfall nicht mehr gefährlich sei. Neben Sandners Parteigenossen Omar Myri aus Sarstedt sowie Ottmar von Holtz und Volker Lipecki aus dem Kreisvorstand fand lediglich ein Bürger den Weg ins Trockendock. Die Resonanz zeigte laut Sandner den Knackpunkt der Atom-Diskussion: "Wir brauchen einen Bewusstseinswandel bei den Menschen." Die Fakten über die Energiegewinnung aus Atomkraft und die Entsorgung des radioaktiven Mülls seien noch nicht im Bewusstsein der Menschen. "Wir selbst sind für den Müll in der Asse mitverantwortlich", sagte Volker Lipecki und gab dazu gleich ein Rechenbeispiel: Von der Energieversorgung Hildesheim (EVI) habe er sich den Jahresverbrauch an Strom für den Landkreis und die Stadt Hildesheim geben lassen, jeweils rund 300000000 Kilowattstunden pro Jahr. Auf der Abrechnung sei ausgewiesen, dass pro Kilowattstunde 0,0009 Gramm radioaktiver Müll anfallen (im Bundesdurchschnitt seien es 0,0007 Gramm) . "Das klingt erst mal nach wenig", sagte Lipecki. Doch letztendlich bedeute das, dass allein die Stadt und der Landkreis Hildesheim jedes Jahr 540 Kilogramm radioaktiven Müll produzieren, das entspreche fünf Gramm pro Haushalt. "Wir müssen anfangen Strom zu sparen, auch in der Industrie", sagte Lipecki. Der Einwand, dass es bisher keine Technik gebe, um regenerative Energien zu speichern, sei einfach gelogen. Er sei gerade auf der Hannover Messe gewesen. Dort habe er sich über die Wasserstoff-Speichereinheit informiert. Das Prinzip der Elektrolyse mache es möglich, gewonnene Sonnenenergie zu speichern und bei Bedarf abzurufen. "Diese Technik ist seit neun Monaten auf dem Markt und auf jede Größe skalierbar", sagte Lipecki. Derzeit sei diese Speichereinheit zwar noch recht teuer, mit 40000 Euro dürfte sie für viele private Haushalte nicht in Frage kommen. Allerdings sinke der Preis natürlich mit zunehmenden Stückzahlen. Deshalb sei die Gesellschaft als Ganzes gefragt, um eine Wende in der Atompolitik herbeizuführen. Hätten doch auch Umfragen ergeben, dass 75 Prozent der Menschen den Aussagen der Atom-Lobby, etwa über die Sicherheit der Lagerstätten für Atom-Müll, nicht glauben.

Rund 200000 Jahre müssen demnach vergehen, bis die Strahlung des radioaktiven Mülls nicht mehr gefährlich ist. Die Menschheit könne jedoch kaum davon ausgehen, Anlagen zu bauen, die sie nach so langer Zeit noch im Blick haben, sagte Ottmar von Holtz. Als Vergleich zog er die Pyramiden in Ägypten heran. Wären diese gebaut worden, um darin Atom-Müll zu lagern, wüssten die Menschen heute darüber nichts mehr. "Und das war erst vor 8000 Jahren", ergänzte Harald Sandner in Bezug auf die im Film vorgestellte Anlage, die Franzosen in einer Tonschicht in mehreren Hundert Metern Erde errichten wollen, um dort radioaktive Abfälle zu lagern. "Bei Atom-Müll sprechen wir aber von ganz anderen Zeitspannen."

Der Film zeigte unter anderem Aufnahmen von verrosteten Fässern voll mit radioaktiven Abfällen, die auf dem Meeresgrund liegen. Rund 100000 Tonnen habe die Atom-Industrie weltweit auf diese Weise im Meer entsorgt. Bis 1993 sogar völlig legal. Dann verbot ein Abkommen, solche Abfälle von Schiffen aus ins Meer zu werfen – das Einleiten vom Land aus ist hingegen bis heute erlaubt. Die Wiederaufbereitungsanlage im französischen La Hague leitet den Filmaufnahmen zufolge zum Beispiel radioaktives Wasser in den Ärmelkanal, zumindest bis zum Jahr 2009, in dem der Film entstand.

Dass die Atom-Industrie einiger Länder nicht mit offenen Karten spielt, zeigt der Film ebenfalls. Ein Beispiel ist der Unfall am 29. September 1957 in der Atomanlage Mayak in Russland. Forscher entnahmen für den Film Boden- und Wasserproben in dem Gebiet, außerdem testeten sie die Milch der dort lebenden Kühe, die die Menschen auch trinken. Ihr Ergebnis: Alle Proben sind kontaminiert, eigentlich sollte niemand mehr in dieser Gegend leben. Ein weiteres Beispiel ist der Columbia River nahe der Nuklearanlage im amerikanischen Hanford. Am Boden des Gewässers fanden Forscher eine radioaktive Schicht, die nicht zu entfernen ist. Weil solche Berichte und Unglücke wie das in Fukushima die zentralen Forderungen der Grünen in Bezug auf Umwelt- und Klimaschutz befeuern, ist Harald Sandner, was die anstehende Kommunalwahl betrifft, positiv gestimmt. "Letztes Jahr hat dieFDP 150 Stimmen mehr gehabt als wir. In diesem Jahr bin ich guten Mutes, dass wir diese Stimmen bekommen könnten." Sandner möchte jedoch nicht nur Stimmen, sondern auch noch einige Sarstedter für die Arbeit der Grünen gewinnen. Bisher habe die Partei nur vier Mitglieder in Sarstedt, das soll sich ändern, vielleicht werden es genug für einen eigenen Ortsverein. Man müsse nicht sofort in die Partei eintreten, wenn man sich für die Ziele der Grünen engagieren wolle, sagte Sandner. Man sollte sich allerdings mit den Kernthemen identifizieren können. Dazu gehören neben der Umweltpolitik auch die Frauenquote sowie die Forderung nach qualifizierten Kräften für die Nachmittagsbetreuung an Ganztagsschulen. "Wir suchen Menschen, die nicht nur meckern, sondern bereit sind, sich auch dafür einzusetzen", sagte Sandner.

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Energie | Parteiangelegenheiten | Stadt Sarstedt

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