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Soll man Stadtwerke gründen oder Verträge mit e.on verlängern? Der Streit eskaliert
(Quelle: Hannoversche Allg. Zeitung, 19.05.10) Hannover. Es hat Züge von einem Glaubenskrieg, der gegenwärtig in vielen niedersächsischen Kommunen tobt. Etliche Konzessionsverträge zwischen Gemeinden und den mächtigen Energieversorgern wie e.on, RWE und EWE laufen aus, und nun geht es um die Frage, ob diese Kontrakte um bis zu 20 Jahre verlängert werden oder die Kommunen die Versorgungsnetze wieder in die eigene Hand nehmen sollen.
Ein Trend zur Neugründung eigener Stadtwerke ist keineswegs auf größere Städte beschränkt. Gestern teilten sechs Gemeinden im Kreis Vechta mit, eine eigene "Anstalt des öffentlichen Rechts" für ihre Stromversorgung zu übernehmen – zulasten von EWE. "Mehr Mitgestaltungsrechte" erwarte man, meinte der Goldenstedter Bürgermeister Willibald Meyer. Erst jüngst hatten die Grünen im Landtag alle Kommunen ermuntert, gegenüber den Energieriesen in den Verhandlungen Härte zu zeigen. e.on- Sprecherin Christina Schulz sagt, ihr Unternehmen reagiere aufgeschlossen auf diese bundesweit feststellbare Tendenz zur Rekommunalisierung. "Wir sind gern bereit, neue Wege mitzugehen."
Doch nicht überall verläuft der Konflikt sachlich. In einigen Gemeinden, in denen neue Stadtwerke entstehen, werden die Kunden angeblich von den alten Versorgern verunsichert, so in Springe. Umgekehrt beschwert sich auch e.on über angeblich unlautere Werbekampagnen der kommunalen Unternehmen, etwa in Uelzen. Häufig landen solche Auseinandersetzungen vor Gericht. Wolfsburgs Oberbürgermeister Rolf Schnellecke (CDU), ein Befürworter starker Stadtwerke, klagte kürzlich über "tiefgreifende Differenzen" in der Energieversorgung seiner Stadt. Dort arbeiten Stadtwerke und e.on-Avacon in einem Gemeinschaftsunternehmen zusammen, und die dort dominante e.on-Tochter hält die Nutzungsentgelte an die Stadtwerke für zu hoch. Der Streit eskaliert. Schnellecke spricht deshalb schon von "fremdgesteuerten" Stadtwerken und vermutet wirtschaftliche Interessen hinter Intrigenvorwürfen gegen die Stadtwerke- Führung, die inzwischen aber ausgeräumt scheinen. Ihn erinnere das "zum Teil an Stasi-Methoden".
Es geht um harte Interessen. Die Stadtwerke- Befürworter sehen die Chance, die Stromversorgung von der Kommune selbst kontrollieren zu können, Gewinne könnten in der Gemeinde bleiben und für Klimaschutz zielgerichtet investiert werden. "Die Beziehung zu den Bürgern ist enger", sagt Schnellecke. Ein Gegner dieser Linie ist Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD), der im e.on- Avacon-Aufsichtsrat sitzt. Wenn eine Gemeinde für viel Geld die Energieversorgung zurückkaufe, habe sie doch nur das Netz, nicht das Stromangebot, für das sie dann wieder einen Vertrag mit einem Versorger schließen müsse. "Das Risiko ist zu hoch." Mädge vertraut lieber auf die Partnerschaft mit e.on. In Lüneburg zahlt das Unternehmen jährlich 50 000 Euro für Klimaschutzprojekte.
e.on sieht eine Gefahr in der Stadtwerke- Gründungswelle: Orte mit lukrativen Bedingungen (kurze Leitungen und viele Einwohner) würden aus dem Stromnetz herausgenommen und kommunalisiert. Das heiße aber, dass die Energiekosten in übrig bleibenden ländlichen, dünn besiedelten Regionen steigen.
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