Dramatischer Anstieg bei der Erziehungshilfe

Das Jugendamt des Landkreises Hildesheim muss immer mehr Erziehungshilfe leisten.

Jugendamt immer stärker gefordert / Neues Phänomen: "Asperger Autismus"

(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 24.08.09) Kreis Hildesheim. Das Jugendamt des Landkreises Hildesheim muss immer mehr Erziehungshilfe leisten. "Bei den stationären Hilfen konnten wir einen Anstieg verhindern", berichtete Fachdienstleiterin Constanze Sickfeld dem Jugendhilfeausschuss. "Die Zahl der ambulanten Hilfen steigt aber dramatisch an, sie hat sich seit dem Jahr 2000 verdreifacht."

In den Fällen der ambulanten Hilfe bleiben die Kinder oder Jugendlichen bei ihren Familien. Bei der stationären Hilfe werden sie zumindest vorübergehend von ihren Eltern getrennt. Wie Sickfeld mitteilte, sei die Gesamtzahl der Erziehungshilfen von 396 im Jahr 2000 auf 641 Fälle (also um 62 Prozent) gestiegen. Die jährlichen Gesamtkosten hätten sich während dieses Zeitraums von knapp 8,1 auf 9,5 Millionen Euro (plus 18 Prozent) erhöht.

Der Teil der ambulanten Hilfe sei dabei von 30 Prozent Ende 2000 auf jetzt 65 Prozent gestiegen. "Natürlich zahlt der Landkreis die stationäre Hilfe, wenn es nötig ist", betonte die Fachdienstleiterin, "glücklicherweise sind wir aber oft rechtzeitig in den Familien und können uns so mit ambulanter Hilfe begnügen."

Karin Loos (Grüne) wollte in diesem Zusammenhang wissen, ob denn ein weiterer Ausbau des Angebots von Pflegeeltern geplant sei und welche Anforderungen der Landkreis bei deren Auswahl zu Grunde lege. "Wir haben den Pflegeeltern schon in der Vergangenheit hohe Standards abverlangt", betonte Dezernent  Ulrich Wöhler. Außerdem versuche der Landkreis derzeit gemeinsam mit der Stadt Hildesheim in einer Arbeitsgruppe diese Standards zu aktualisieren. "Unser Interesse ist es, mehr Pflegeeltern zu bekommen, weil der Bedarf höher ist als das derzeitige Angebot", so Wöhler.

Sickfeld berichtete auch über die sogenannte Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche. Hier sei das Niveau mit insgesamt knapp 350 Fällen zwar konstant, im Landesdurchschnitt aber auch sehr hoch geblieben. Die jährlichen Kosten bezifferte sie auf rund zwei Millionen Euro. Das mit derzeit 39 Fällen sehr hohe Niveau bei den stationären Eingliederungshilfen führte sie auf die "hervorragende Versorgung" des Landkreises Hildesheim mit Fachärzten und Therapeuten zurück. "Der Landkreis hat aber auch immer versucht, den Kindern zu helfen", unterstrich die Fachdienstleiterin. Anders als in einigen anderen niedersächsischen Jugendämtern seien keine Hilfe-Vermeidungs-Strategien entwickelt worden. Außerdem habe der Kreis bewusst auf umfangreiche Fragebögen verzichtet, um die Eltern nicht von der Antragstellung abzuschrecken. Eine Diskussion unter Fachleuten habe ergeben, dass die Standards im Kreis Hildesheim zum Teil erheblich über denen anderer Jugendämter mit weniger Fällen lägen. Auf Anregung des Kreises sei deshalb eine landesweite Fachtagung zum Thema Eingliederungshilfe geplant.

Wie Sickfeld weiter berichtete, beschäftige das Jugendamt seit Frühjahr 2008 mit dem sogenannten Asperger Autismus (angeborene Wahrnehmungsstörung des Gehirns) ein neues Phänomen. "Bei Asperger-Behinderungen wird den Kindern ein Schulbegleiter an die Seite gestellt, damit sie dem Unterricht überhaupt folgen können", erklärte die Amtsleiterin. Der Landkreis suche händeringend nach solchen Schulbegleitern. "Wir haben immer mehr neue Fälle und sind von diesem Phänomen überrollt worden", so Sickfeld. "Wie kommt es zu diesem Anstieg?", fragte Loos. Wie Paul Wolpers, Leiter der Erziehungsberatungsstelle beim Landkreis, erklärte, gebe es immer wieder solche Wellen. Die derzeitige Welle sei aber auf 20 bis 40 Fälle begrenzt. Wolpers warnte aber davor, Asperger Autismus als modische Eskalation zu bezeichnen. "Das ist schlichtweg falsch", sagte er. "Wie es jedoch zu diesem Anstieg gekommen ist, wissen wir nicht", fügte er hinzu.

Kategorie

Kinder und Jugend, Bildung

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