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Vier Vereine stehen vor existenziellen Nöten, weil das Jobcenter sich aus der Förderung zurückzieht
(Quelle: KEHRWIEDER am Sonntag, 21.12.10) Gronau/Landkreis. Als der scheidende Jobcenter-Geschäftsführer Horst Gabriel unlängst ankündigte, die Mittel für die sogenannte aktive Arbeitsförderung in der Region Hildesheim würden im kommenden Jahr um 26,5 Prozent gekürzt, klang das noch reichlich abstrakt. Nun haben sich vier Gronauer Vereine zu Wort gemeldet, für die die Kürzungen sehr konkret sind. "Es geht um unsere Existenz", sagt Günter Ohnesorge vom Gronauer Lachszentrum – und um die von insgesamt sieben vom Jobcenter geförderten Mitarbeiter. Im schlimmsten Fall stehen das Lachszentrum, die Gronauer Lichtspiele, das Naturbad Banteln und die Schießanlage auf dem Oberg bei Banteln vor dem Aus. Zumindest in der bisherigen Form.
Gronauer Lichtspiele: Das traditionsreiche Kino in der Bahnhofstraße ist nicht nur eines der letzten Kinos im ländlichen Raum (das jährlich für sein Programm vom Land Niedersachsen ausgezeichnet wird), sondern auch eine Spielstätte für das Theater für Niedersachsen und andere Kulturschaffende. Der rührige Kulturkreis Gronau rettete das Kino 2001 vor der Schließung. Das sei nur möglich gewesen, sagt die Vorsitzende Gudrun Kunze, weil die Stadt die Pacht übernommen hat und über Fördermaßnahmen des Jobcenters Personal zur Unterstützung der ehrenamtlichen Vereinsmitglieder eingestellt werden konnte. Eine frühere ABM-Mitarbeiterin hat der Verein in Teilzeit übernommen. Drei weitere Mitarbeiter arbeiten als Filmvorführer, an der Kinokasse oder unterstützen den ehrenamtlichen Vorstand, indem sie die regelmäßigen Öffnungszeiten im Kulturkreis- Büro gewährleisten. "Ohne sie ist es nicht möglich, das Angebot aufrecht zu erhalten. Die Zukunft der Lichtspiele als Programmkino wäre nicht mehr gesichert", so Kunze.
Norddeutsches Lachszentrum: Erst seit kurzem sieht das Zentrum des Vereins Leine-Lachs so aus, wie es heute aussieht: Eine 3.400 Quadratmeter große Halle, in der nicht mehr nur Lachszucht betrieben wird, sondern die auch ein ansehnliches Informationszentrum und einen Seminarbereich beinhaltet. "Wir haben in den vergangenen drei Jahren mehr als 5.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit investiert", sagt der Vereinsvorsitzende Günter Ohnesorge. Mehrfach war der Niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander bereits zu Gast (siehe Foto) und hat das "Leuchtturmprojekt" in höchsten Tönen gelobt. Der Verein hat sich immer mehr aufgebürdet: Aktivitäten an Schulen, Vorträge, Ausstellungen, Präsenz bei einschlägigen Messen wie der Grünen Woche und Pferd & Jagd. "Wir sind dabei immer davon ausgegangen, dass die Förderung für unsere zwei Mitarbeiter, einen Kaufmann und einen Tischler, für drei Jahre bewilligt wird", sagt Ohnesorge. "Wir können doch nicht nach einem Jahr wieder alles auf Null zurückfahren."
Naturbad Banteln: Auch in Banteln ist ein Verein für eine eigentlich kommunale Aufgabe in die Bresche gesprungen: Das 1928 als Musterbadeanstalt im Landkreis Hildesheim eröffnete Freibad musste 1996 geschlossen werden. Das Dorf gründete einen Förderverein und richtete das Bad als Naturbadeteich mit Pflanzenkläranlage (ohne Chlor) wieder her. Die Bantelner Grundschule hat den regelmäßigen Besuch des Bades in den Lehrplan aufgenommen. "Viele Kinder haben hier das Schwimmen gelernt", sagt Friedrich-Georg Block- Grupe, Vorsitzender des Vereins Naturbad Banteln. Seit April 2009 hat der Verein einen Spätaussiedler aus Russland eingestellt, "der sich nicht nur voll mit seiner Aufgabe identifiziert, sondern auch gut mit Kindern umgehen kann". Ohne den Mitarbeiter müsste das Bad 2011 schließen, so Block-Grupe.
Schießstand Oberg: Der Schießstand auf dem Oberg bei Banteln verfügt über Flächen von 7,5 Hektar. Diese müssen aufwändig gepflegt werden. Natürlich ist es nicht unbedigt üblich, dass für so eine Aufgabe öffentlich gefördertes Personal eingestellt wird. Aber der von einem Verein betriebene Schießstand wird täglich von SEK-Einheiten der Polizeidirektion Hildesheim und Göttingen genutzt – zu einem stark reduzierten Preis. "Ohne unseren Mitarbeiter müssten die Einheiten woanders schießen", stellt der Vorsitzende Thomas Hohendahl klar.
Alle Vereine betonen, dass es ihnen um mehr geht als um ihre personelle Ausstattung. Sie können und wollen nicht verstehen, dass motivierte Mitarbeiter, die ansonsten wegen ihres Alters, mangelnder Ausbildung oder Sprachkenntnisse keine Chancen auf dem Ersten Arbeitsmarkt hätten, wieder in Hartz IV zurückfallen sollen. Und auch Klaus Graser, Geschäftsstellenleiter des Gronauer Jobcenters, tut sich schwer mit den Vorgaben der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen und des Jobcenters Hildesheim. "Seit 2005 suchen wir Vereine und andere Träger, die Menschen über eine Fördermaßnahme einstellen", sagt er. "Die wollen ja alle arbeiten, sollen wir die nur noch verwalten?"
So sieht es wohl aus. Horst Gabriel hat kürzlich im Sozialausschuss vorgerechnet, dass das Jobcenter Hildesheim die geförderten Arbeitsgelegenheiten von insgesamt 251 auf 29 reduzieren wird. Stattdessen soll es mehr Stellen für Ein-Euro-Jobber geben, was den Gronauer Vereinen aber nicht hilft. Wegen der Sparzwänge will sich das Jobcenter auf die Vermittlung in den Ersten Arbeitsmarkt konzentrieren. Eine schlechte Nachricht für Menschen ohne Ausbildung. Im Raum Hildesheim betrifft es fast die Hälfte der Hartz-IV-Empfänger, knapp 5.000 Personen.
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