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Der Rat bringt den Zukunftsvertrag auf den Weg und entschärft das Sparpaket an manchen Stellen
(Hildesheimer Allg. Zeitung, 05.07.11) Hildesheim. Nach vier Stunden Debatte kam sogar SPD-Finanzexperte Detlef Hansen ins Schleudern: Ging es beim x-ten Änderungsantrag nun um das Museum oder war es die Bibliothek? Doch die Irritation währte nur kurz, zum Schluss stimmte das Ergebnis: Der Rat hat gestern einmütig das 39-Millionen- Euro-Sparpaket auf den Weg gebracht, das die Stadt in den Genuss einer 140-Millionen- Euro-Entschuldungshilfe vom Land bringen soll. Mit dem muss die Verwaltung jetzt über das Papier verhandeln, über dessen endgültige Version befindet der Rat am 5. September. Dann soll auch feststehen, wie viel die Neuregelung der Finanzbeziehungen zum Landkreis der Stadt einbringt. "Hier sehe ich arge Probleme", warnte FDP-Ratsherr Dr. Martin Gottschlich angesichts der unterschiedlichen Vorstellungen beider Seiten.
Bis zuletzt hatten die Ratsfraktionen gestern Nachmittag an der 39-Millionen- Liste gefeilt, allein für das Verlesen der rund 15 Änderungsanträge brauchte Ratsvorsitzender Ulrich Hammer zehn Minuten. Die Last-Minute-Korrekturen belaufen sich auf rund eine Million Euro, sie sollen durch höhere Bußgelder, Parkgebühren und Streichungen an anderen Stellen hereinkommen. Dieser Kurswechsel ließ manchen der 150 Zuschauer im Saal aufatmen. So konnte Volkshochschul- Chef Hartwig Kemmerer miterleben, dass der Zuschuss für sein Haus ab 2015 nicht komplett wegfällt, wie es die Verwaltung eigentlich wollte, sondern nur von 388 000 auf 300 000 Euro sinkt.
Ähnlich erging es der Musikschule. Auch hier hatte das Rathaus vorgeschlagen, die Unterstützung ab 2015 zu streichen, nun soll die Einrichtung danach statt 345 000 immerhin noch bis zu 255 000 Euro erhalten. Sprecher mehrerer Fraktionen erklärten gerade diese Korrekturen mit der Bedeutung von VHS und Musikschule für die Region. "Hildesheim ist ein Oberzentrum – dazu gehören Kultureinrichtungen", betont CDU-Chef Ulrich Kumme.
Ein Argument, mit dem die Verwaltung beim Land eine Erhöhung der so genannten freiwilligen Leistungen von drei auf fünf Prozent des Haushaltsvolumen herausholen soll – was den Spielraum erheblich vergrößern würde. "Wir werden dafür streiten", versprach Oberbürgermeister Kurt Machens, gab sich aber zurückhaltend. Denn bei anderen Bürgermeistern gibt es gegen das Hildesheimer Ansinnen durchaus Vorbehalte – schließlich sind die Kommunen an dem Entschuldungsfonds beteiligt.
Vertreter aller Fraktionen betonten die besondere Bedeutung des Zukunftsvertrages, Finanzausschussvorsitzender Frank Wodsack (CDU) pries die Zustimmung dazu gestern gar "als die wichtigste Entscheidung der vergangenen Jahrzehnte", Bündnis-Fraktionschef Thomas Müller sprach von einem historischen Tag. Er warf CDU/FDP/BAH die Verantwortung für die schlechte Finanzlage vor – schließlich hätten sie jahrelang den Ton in der Stadt angegeben.
Die mute ihren Bürgern harte Einschnitte zu, fand Grünen-Ratsherr Volker Spieth. "Doch das soziale und kulturelle Netz bleibt erhalten." Spieth kritisierte aber die mangelnde Öffentlichkeitsarbeit beim Sparprozess. Gegen diese hatten vor der Sitzung auch etwa 50 Gegner des Zukunftsvertrags auf dem Marktplatz demonstriert. Neben Gewerkschaftsvertretern von Verdi, DGB, IG Metall und IG Bauen-Agrar-Umwelt waren Mitglieder der Aidshilfe, der Studentenvertretung AStA, der Linken und des Sozialforums dabei. Die Teilnehmerzahl blieb damit deutlich hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück. "Es ist schade, dass nicht mehr gekommen sind", sagte Olaf Hartmann, Gewerkschaftssekretär bei Verdi. "Aber wir stehen eben erst am Anfang des Protestes. Die Geheimdiplomatie der Politiker hat lange und gut funktioniert." Viele Menschen würden erst langsam verstehen und erfahren, was die Haushaltslage für die Bevölkerung bedeute. "Unsere Kundgebung war sehr kurzfristig organisiert, aber wir kommen wieder."
Die fehlende Transparenz bei der Haushaltslage und den Sparbeschlüssen kritisierte auch Alfred Müller vom Hildesheimer Sozialforum. "Wir sind ausgeschlossen worden und fordern mehr Bürgerbeteiligung." Mit einem Plakat mit der Aufschrift "Weniger Prävention – mehr Infektionen" demonstrierte die Hildesheimer Aidshilfe vor dem Rathaus. "Wenn uns 29000 Euro gestrichen werden, können wir statt drei nur noch zwei Stellen besetzen. Darunter würde die Qualität unserer Arbeit erheblich leiden", sagte Geschäftsführerin Karin Cohrs.
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