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Der Ärger um den Schulbusverkehr im Landkreis reißt nicht ab: Nach Eltern-Protesten in Sibbesse kommen nun auch Vorwürfe aus Lamspringe. Ein Busunternehmer zeigt Verständnis, sieht aber den Kreis in der Pflicht – der reagiert erstaunt.
(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 04.06.11) Kreis Hildesheim. Der Ärger vieler Eltern ist groß. Sie sorgen sich um die Sicherheit ihrer Kinder, darum, dass ihre Töchter und Söhne vernünftig und pünktlich zur Schule kommen. Doch genau das sei nicht gewährleistet, sagen viele Eltern. Zum Beispiel die Mütter aus Neuhof bei Lamspringe. Sie haben sich an der Bushaltestelle im Ort verabredet und machen ihrem Ärger Luft. Von hier aus fahren die Kinder allmorgendlich mit dem Bus zur Grundschule Lamspringe, in Richtung Bahnhof Bodenburg oder zur IGS Bad Salzdetfurth. Die Vorwürfe, die die Eltern gegen den Landkreis als Träger des Schulbusverkehrs erheben, sind aber die gleichen: die Schulbusse seien in technisch bedenklichem Zustand, einige Fahrer überfordert, die Taktzeiten viel zu eng.
Nicole Oberbeck und Melanie Pülm, beide aus Neuhof, haben mehrfach beim Landkreis angerufen und sich beschwert. "Darüber, dass einige Busse undicht sind, die Kinder auf nassen Sitzen sitzen, manchmal die Bustüren nicht zugehen", nennt Oberbeck Beispiele. Aber auch, dass die Fahrer, um den Fahrplan einzuhalten, viel zu schnell fahren, haben sie der Verwaltung gemeldet. Außerdem kämen die Kinder oft zu spät zur Schule. "Einige von uns fahren ihre Kinder inzwischen oft selbst zur Schule, anstatt sie mit dem Bus zu schicken." Sandra Stübing aus Irmenseul ergänzt, dass ihre Kinder sogar schon mal vom Lehrer nach Hause gebracht wurden, weil kein Bus fuhr. Kurzum, der Schulbusverkehr sei "eine Katastrophe" und müsse sich dringend ändern. Doch sie haben das Gefühl, von der Kreisverwaltung nicht Ernst genommen zu werden.
Die Mütter fordern verstärkte und unangemeldete Kontrollen der Busunternehmen und höhere Sicherheitsstandards. "Aber alles dreht sich immer ums Geld. Das kann nicht sein, hier geht es um die Sicherheit unserer Kinder", sind sich die Mütter einig. Schützenhilfe bekommen sie von Eltern aus der Gemeinde Sibbesse. "Muss erst etwas passieren, bevor neue Fahrzeuge rollen?", fragt Gabriele Wolf aus Adenstedt.
Im Brennpunkt der Kritik steht das Busunternehmen Tebbe aus Hessisch-Oldendorf, das mit seinen Fahrzeugen unter anderem Schüler in Sibbesse und Lamspringe kutschiert. "Die Roststellen an den Bussen wurden dilettantisch übertüncht", schimpft Wolf. Und auch sie beklagt, dass Heizung und Lüftung in den Bussen ausfallen, und die Geschwindigkeit mit der Busse unterwegs sind, häufig erschreckend sei. "Vielleicht lässt sich der Fahrplan lockern", klagen weitere Eltern in einem mit 21 Unterschriften unterzeichneten Brief an den Landkreis.
Henning Tebbe, Chef des Unternehmens, hat Verständnis für die Sorgen der Väter und Mütter. Aber: "Sicher gibt es schickere und neuere Busse im Landkreis. Unsere werden in den Ferien auf Vordermann gebracht", sagt Tebbe mit Blick auf betagte Vehikel, die nicht so modern sind, wie etwa die Busse des Regionalverkehrs Hildesheim, der ebenfalls Kinder durch die Region fährt. "Allerdings sind unsere Busse technisch in Ordnung. Das wird alle drei Monate überprüft, hinzu kommt die jährliche TÜV-Hauptuntersuchung". Jüngst sei ein Bus in Alfeld überprüft worden, den man wegen seines Aussehens nicht für fahrtauglich hielt. "Aber er war fahrtüchtig", betont Tebbe, der selbst "30 Jahre Erfahrung auf dem Bus hat". Und diese Routine sage ihm: "Auch wenn unsere Busse nicht taufrisch sind, funktionieren sie zuverlässig."
Tebbe versteht auch, wenn Eltern überfüllte Busse monieren. Aber: Mehr Busse als bislang fünf könne er ohnehin nicht einsetzen, weil dafür ein "Extra-Auftrag" vom Landkreis her müsste. Er müsse eben knappkalkulieren.
Joachim Schulz, seit 27 Jahren Busfahrer und Betriebsratschef beim Regionalverkehr (RVHi), teilt Tebbes Sicht. Auch für ihn steht fest: Den Fuhrunternehmern sind die Hände gebunden – finanziell gesehen. Im freigestellten Schülerverkehr, den der Landkreis abgesehen vom RVHi an insgesamt sieben Unternehmen mit insgesamt 35 Bussen vergibt, könnten manche Firmen nicht genug verdienen, um ihren Fuhrpark zu modernisieren. "Eigentlich müssten sie 1,45 Euro pro Kilometer bekommen", sagt Schulz. Doch etliche Unternehmen würden deutlich weniger erhalten. Und das, obwohl viele Autos pro Kilometer im Unterhalt weitaus mehr kosten würden. "In Deutschland gibt es nur eine Handvoll Busunternehmen die eine schwarze Null schreiben oder sogar Gewinn machen", weiß Schulz. Leidtragende dieses Dilemmas seien die Fahrgäste. "Es trifft immer das schwächste Glied."
Er sieht den Landkreis in der Pflicht. Schulz empfiehlt der Verwaltung, eine "Qualitätsmanagement" wie die Region Hannover einzuführen, dass Busunternehmen bestimmte Leistungen vorschreibt. So etwa behindertengerechte Busse, die ein bestimmtes Alter nicht überschreiten. Schulz fordert weiter: "Wer einen gut funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr will, muss mehr investieren." Beschwerden der Eltern sollten jetzt "politische Gremien" erreichen – damit sie Druck auf den Kreis machen. Die Chancen der Eltern stünden sowieso gut, "dieses Jahr sind Kommunalwahlen." Die Neuhofer Eltern scheuen sich nicht, Druck auf die Politik auszuüben.Oberbeck:"Wir gehen auch geschlossen zur Kreistagssitzung, um unsere Forderungen klar zu machen."
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