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(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 29.05.09) Hildesheim. Bosch müsse berücksichtigen, dass sich Produktionsverlagerungen ins Ausland zunehmend als unternehmerische Fehlentscheidung erweisen, warnt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer. "Studien belegen, dass inzwischen etliche Firmen ihre Verlagerungsstrategie korrigieren. Das schlichte Schielen auf Personalkosten rentiert sich langfristig oft nicht." Bosch sollte seine Entscheidung noch einmal überdenken. Bleibe Bosch dabei, die komplette Fertigung zu verlegen, müsse die Firma die Verantwortung für die Betroffenen übernehmen und sie bei der Suche nach einem neuen Job unterstützen.
Die E-Mail, die Dienstag um 15.49 Uhr bei Bernhard Brinkmann eintraf, habe ihn trotz ständiger Kontakte zu Bosch überrascht. 300 der heute noch 1900 Arbeitsplätze wird es Ende des Jahres nicht mehr geben. Stellenabbau sei zwar eine unternehmerische Entscheidung, tatsächlich suchten Firmen in schwieriger Lage aber oftmals den Dialog mit der Politik. "Ich bin nicht gefordert gewesen", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete. Jetzt alle Beteiligten an einen Tisch zu holen, um zu überlegen, wie der Einschnitt für die Betroffenen abgefedert werden könne, würde er begrüßen. "Dafür würde ich gern zur Verfügung stehen."
Als "bittere Nachricht für die betroffenen Mitarbeiter und deren Familien" wertet auch sein CDU-Kollege Eckart von Klaeden die Mitteilung über die Produktionsschließung. "Ein schlechter Tag für Hildesheim." Alle Verantwortlichen stünden nun in der Pflicht, eine sozialverträgliche Lösung herbeizuführen.
Zweifel an der Bosch-Kalkulation hegt auch die CDULandtagsabgeordnete Ursula Ernst. "Ob die sich das richtig überlegt haben?" Innerhalb der EU würden sich die Löhne immer weiter angleichen, zudem müsse die Qualität der Arbeit berücksichtigt werden. Über kurz oder lang würde die Produktion genauso teuer wie in Deutschland. Die aktuelle Meldung habe sie tief enttäuscht. "Ganz schlimm, für die 300 Betroffenen, aber auch für die Zulieferer."
Für Markus Brinkmann, für die SPD im Landtag, ist es an der Zeit, dass sich die Verantwortlichen in der Stadt Gedanken machen, wie sie die industriellen Kerne absichern. Anstatt "Umweltplakate oder anderen Blödsinn" zu veranstalten, sollte mehr Manpower in die Wirtschaftsförderung gesteckt werden. Die Bosch-Rechnung, nach der die Verlagerung 70 Prozent der Personalkosten spare, erscheint ihm unrealistisch, zudem sei dies längst nicht die alles entscheidende Größenordnung. Auch wenn es für die Betroffenen zu Transfergesellschaften und Zukunftswerkstatt keine Alternative gibt, warnt der langjährige Verdi-Gewerkschafter vor überhöhten Erwartungen. Die Realität falle meistens bescheidener aus.
Christian Budde, Sprecher von Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler, sieht Transfergesellschaften in besserem Licht – zumal sie gerade jetzt über die Krise hinweghelfen könnten. Die Entscheidung der Bosch-Spitze sei "sehr bedauerlich", zeige aber, dass es neben der Finanz- und Wirtschaftskrise zusätzlich eine Krise der Automobilbauer gebe. Für alle Firmen, die Hilfe suchten, stehe das Ministerium "Gewehr bei Fuß", um Arbeitsplätze zu sichern und Knowhow in den Betrieben zu halten. Bosch aber trieben wohl andere Dinge als Finanzierungsengpässe.
Auch mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft HI-Reg hat Bosch nicht gesprochen. "Bedauerlich", findet Geschäftsführer Friedrich Brinkmann die Entscheidung. Und gibt ebenfalls zu bedenken, dass eine Reihe von Firmen ihre Produktion wieder nach Deutschland zurückgeholt haben, weil die Qualitätsnormen nicht erreicht worden seien.
IG-Metall-Chef Dr. Herbert Scheibe hat nicht überrascht, dass Bosch die Produktion schließt, sondern dass sie ein Jahr früher als angekündigt aufgelöst wird. Allen Betroffenen habe seine Gewerkschaft Rechtsberatung angeboten, der Wechsel in eine Transfergesellschaft sei "in so einer Situation" komfortabel. Ziel müsse sein, die verbleibenden 1600 Jobs mit einem Standortsicherungsvertrag abzusichern.
Während hinter vorgehaltener Hand gestern immer wieder schwere Managementfehler über Jahre hinweg angeprangert wurden – "Die waren in diesem Segment mal führend und sind heute von rechts und links, von oben und unten überholt worden" –, warnt Scheibe vor vorschnellen Schuldzuweisungen. Die Geschäftsleitung hätte nicht immer ein glückliches Händchen gehabt, zu wenig an Alternativen gearbeitet, wie der Markt in den nächsten zehn Jahren aussieht, sondern am "Leitbild Luxuslimousine" festgehalten. Die Krise habe sich lange angebahnt und zugespitzt, weil es seit weit mehr als zehn Jahren Fehlfinanzierungen gebe. Trotz der "schmerzlichen" Entscheidung jetzt, meint Scheibe, hätte viel eher umgesteuert werden müssen. "Früheres Handeln hätte die Chance geboten, andere Optionen zu versuchen."
Der Blaupunkt-Betriebsrat war gestern für keine Stellungnahme zu erreichen.
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