Billiger Atomstrom für EVI-Chef "Unsinn"

Niedrigere Strompreise durch die Verlängerung der Atomkraftwerke stellt Wirtschaftsminister Rainer Brüderle in Aussicht. Michael Bosse-Arbogast, Geschäftsführer der EVI-Energieversorgung Hildesheim, hält das für "absoluten Unsinn".

Michael Bosse-Arbogast kritisiert Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke: Zementiert die Marktmacht der vier Stromriesen

(Hildesheimer Allg. Zeitung, 08.09.10) Hildesheim. Niedrigere Strompreise durch die Verlängerung der Atomkraftwerke stellt Wirtschaftsminister Rainer Brüderle in Aussicht. Michael Bosse-Arbogast, Geschäftsführer der EVI-Energieversorgung Hildesheim, hält das für "absoluten Unsinn".

Während die Großkonzerne e.on, RWE, EnBW und Vattenfall den Atom-Kompromiss der Bundesregierung grundsätzlich begrüßen, warnen die kommunalen Energieversorger vor dieser Entscheidung. Auch Michael Bosse-Arbogast, Stadtwerke-Vorstand und EVI-Geschäftsführer, steht einer Verlängerung der AKW-Laufzeiten äußerst kritisch gegenüber.

Um die Versorgung des Strommarktes sicherzustellen, sei dieser Schritt "nicht dringend erforderlich". Die Marktmacht der vier Stromriesen werde mit der Laufzeitverlängerung der 17 Atomkraftwerke in Deutschland eindeutig gestärkt. Mit rund 75 Prozent der Erzeugungskapazitäten in Deutschland bestimmten die vier Konzerne den Strompreis. "Diese Situation würde durch den Regierungskompromiss zementiert. Dagegen wehren wir kommunalen Unternehmen uns."

Es gehe bei der aktuellen Diskussion aber nicht um die Grundsatzfrage der 70er und 80er Jahre, ob Uran der richtige Brennstoff sei. Jetzt gehe es vielmehr um die Laufzeitverlängerung. Der stehe er kritisch gegenüber, weil es noch kein Endlager für die abgebrannten Brennstoffe gebe. "Das ist aus meiner Sicht kritisch", unterstreicht der EVI-Geschäftsführer.

Sollte es so kommen, wie es die Regierung vorsehe, würden sich die Grundlagen der Investitionsentscheidungen der kommunalen Energieversorger nachhaltig ändern. Der Geschäftsführer macht das an der Plänen der EVI fest.

Die Vorvorgängerregierung habe entschieden, AKWs 2020/21 vom Netz zu nehmen. Das würde den Wegfall von 22 Prozent der Kernkraft-Stromerzeugung bedeuten. Auf dieser Grundlage habe sich die EVI das Ziel gesetzt, bis 2015 rund 50 Prozent des Stroms selbst zu produzieren, um ein Stück weit mehr Unabhängigkeit von der Strombörse zu erreichen. Die EVI setze dabei auf Kohle, Erdgas und erneuerbare Energien.

"Nach der Sonntagsentscheidung in Berlin müssen wir unsere Investitionsentscheidungen eigentlich überdenken", sagt Bosse-Arbogast. Eine sichere politische Rahmenbedingung für die Unternehmensentscheidungen habe die EVI aber auch seit dem Sonntag noch nicht. "Das macht das Ganze nicht leichter, sonder eher schwieriger."

Denn noch steht für Bosse-Arbogast längst nicht fest, ob der Kompromiss denn am Ende Bestand hat. Zuvor seien noch Rechtsfragen zu klären, etwa zur Zustimmungspflicht des Bundesrates.

Preisvorteile für die Verbraucher sieht Bosse-Arbogast nicht in der Verlängerung der AKW-Laufzeit. "Das ist absoluter Unsinn." Der Grund: Im Merit-Order- Verfahren bestimme an der Strombörse Leipzig das zuletzt für die Tagesproduktion ans Netz gegangenen Kraftwerk die Höhe des Strompreises. Die Grundversorgung stellten die Atomkraftwerke sicher. (Als Merit-Order – englisch Wert-Reihenfolge – bezeichnet man an der Strombörse die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke. Diese setzt sich aus am Vortag abgegebenen stündlichen Preis-Mengen-Geboten der Stromanbieter zusammen.)

Die Kraftwerke, die deutlich preiswerter produzierten (so wie das bei den Atomkraftwerken der Fall sei) würden damit höhere Margen einfahren, der Verbraucher davon aber nicht profitieren. "Wie die Verlängerung der AKW-Laufzeiten bei diesem Verfahren preisdämpfend wirken soll, ist mir daher ein Rätsel."

Zudem werde der Energieverbrauch weiter steigen, wenn auch moderater als bisher. Ursachen dafür seien im privaten Haushalt der Zweit- oder Drittfernseher, mehrere Computer und andere Geräte.

Unklar sei noch, wie es mit der Förderung der erneuerbaren Energien weitergehe. Auch da fehle es noch an unmissverständlichen Aussagen der Regierung.

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Energie

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