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Die nächsten Finanz-Verhandlungen zwischen Stadt und Landkreis könnten deutlich schärfer verlaufen als die bisherigen
(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 05.09.12) Kommentar von Tarek Abu Ajamieh. Bald verhandeln sie wieder: Stadt und Landkreis über den endgültigen Finanzvertrag mit weiteren Vereinbarungen zur Zusammenarbeit, Landkreis und Gemeinden über die Höhe der Kreisumlage sowie über die Frage, wer wie viel für Kindergärten und Krippen bezahlt. Doch vorher steht ein internes Kräftemessen an: Politik und Verwaltung ringen darum, wer Richtung und Schwerpunkte in der Finanzpolitik des Landkreises bestimmt.
Denn quer durch die Parteien herrscht das Gefühl, die gewählten Volksvertreter hätten bei den Verhandlungen zwischen Stadt und Landkreis bisher vor allem als Zuschauer agiert, die hinterher nur noch zähneknirschend die Vorschläge der Verwaltungsspitzen abnicken konnten. Und so war es auch weitgehend. Nun will die Politik wieder das Sagen haben. Die SPD nimmt dabei wenig Rücksicht auf "ihren" Landrat Reiner Wegner.
Dass die Kreistags-Abgeordneten - anders als die Mitglieder des Hildesheimer Stadtrates - nun rebellisch werden, liegt auch am Ergebnis der ersten Verhandlungsrunde. Denn da fühlten sie sich als Verlierer. Zurecht, beim Blick auf die Zahlen. Ermutigt durch optimistische Prognosen des damaligen Kreis-Kämmerers Horst Zawadzki gingen sie davon aus, mit maximal 5 Millionen Euro mehr pro Jahr für die Stadt sei der Fall erledigt. Das Schauspiel der folgenden Monate: Immer und immer mehr bot Landrat Wegner in immer neuen Gesprächen mit Oberbürgermeister Kurt Machens, doch der beharrte auf seiner Anfangs- Forderung. Mit Erfolg. Weil Wegner auf keinen Fall riskieren wollte, dass die Stadt ihre 140 Millionen Euro Entschuldungshilfe von Land und Kommunen bekommt, gab er nach. Seine These, bekomme die Stadt ihre Entschuldung nicht, habe darunter die ganze Region zu leiden, war dabei nicht von der Hand zu weisen.
So erklärte es sich auch, dass im Kreistag fast alle Parteien höchst unzufrieden waren. Öffentlichbeklagten sie mangelnde Kompromissbereitschaft der Stadt und schimpften im Chor mit vielen Bürgermeistern aus dem Landkreis, nun müsse die ganze Region dafür büßen, dass Hildesheim nicht beizeiten gespart habe. Intern moserten sie, Wegner habe ungeschickt verhandelt und ein besseres Ergebnis für den Landkreis vertan. Schuld am Scheitern der städtischen Entschuldung wollten sie freilich auch nicht sein. Trotz allen Schimpfens stimmten sie dem Vorschlag von Machens und Wegner zu.
Allerdings mit der geballten Faust in der Tasche. Und nun wird immer deutlicher, dass die Kreispolitiker "ihrer" Verwaltung nicht mehr so viel zutrauen, wenn es ums Geld geht. Erster sichtbarer Ausdruck dieses Unbehagens waren umfängliche Anfragen der CDU und des Bündnis-Einzelkämpfers Josef Stuke. Sie wollten die finanzielle Situation des Landkreises und seiner Kommunen ausführlich dargelegt bekommen, gerade auch mit Blick auf Krippen und Kindergärten. Und mit der Frage, was es für den Kreis-Etat bedeutet, wenn der Bund den Landkreisen künftig die Kosten der Grundsicherung abnimmt. Im Hintergrund trommeln schon länger die Bürgermeister, sie fordern eine Senkung der Kreisumlage.
Stuke und die CDU hat die Kreisverwaltung noch weitgehend abgewimmelt. Die Anfragen seien so detailliert nicht zu beantworten. Doch nun fordert auch noch die stärkste Kreistags-Partei SPD ausführliche Zahlen. Angesichts dieser ungewöhnlichen Koalition wird sich die Verwaltung kaum länger sperren können. Klar ist auch, warum die Politiker so beharrlich sind: Viele von ihnen glauben, besser verhandeln zu können als der Landrat. Vielen von ihnen sitzen die heimischen Bürgermeister im Nacken - nach der großen Hilfe für Hildesheim wollen sie auch etwas vom Kuchen abhaben, wittern sonst Ungerechtigkeiten. Hinzu kommt der menschliche Faktor: Niemand verliert gern, Politiker schon gar nicht. Wer die ersten Verhandlungen mit der Stadt als Niederlage empfunden hat, will die Scharte auswetzen. Und - viele Abgeordnete sind überzeugt, dass sie als gewählte Volksvertreter die Entscheidungs- Hoheit nicht aus den Händen geben dürfen. Womit sie richtig liegen: Politik, die nur die Vorgaben von Verwaltungen umsetzt, macht sich und das ganze politische System überflüssig.
Für die Verhandlungen zwischen Stadt und Landkreis bedeutet dies harte Fronten. Schon bei der Debatte um die Jugendhilfe hat der Kreistag deutlich gemacht, dass er gegenüber der Stadt keinen Zentimeter nachgeben will. Das hat das Gremium auch durchgezogen - obwohl es von Landrat Wegner heißt, er hätte die Aufgabe auch ganz gern bei der Stadt belassen und dafür etwas mehr Geld auf den Tisch gelegt.Ähnlich stur dürften sich dieKreispolitiker nun in weiteren Gesprächen mit der Stadt zeigen. Das Damokles-Schwert, dass die Stadt ihre Entschuldung nicht bekommen könnte, fällt ja höchstwahrscheinlich weg.
Das alles ändert allerdings nichts daran, dass auch die Stadt Teil des Landkreises ist. Mit einem sturen Gegeneinander ist es deshalb nicht getan. Läuft es doch darauf hinaus, droht der Politik ein ganz anderes Szenario: Dass am Ende wieder Machens und Wegner alles aushandeln, weil die Politik es nicht geschafft hat. Ein gutes Zeichen für die Demokratie wäre das nicht.
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