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Alle Mitarbeiter werden übernommen / Kommunale Gesellschafter erhalten Zahlungen bis 2037
(Quelle: KEHRWIEDER am Sonntag, 27.06.10 - von Lothar Veit) Alfeld/Hildesheim. Dr. Marina Martini, Vorstandsmitglied des Schweizer Ameos-Konzerns, war sichtlich beeindruckt, als sich Dr. Wolfgang Dahn am Donnerstag bei der Pressekonferenz vorstellte: "Ich bin Ärztlicher Direktor des Ameos-Klinikums Alfeld." Da war die Tinte unter den Verträgen kaum trocken. "Das geht ja schon ganz flüssig über die Lippen", staunte Martini.
Das Krankenhaus Alfeld heißt ab sofort Ameos-Klinikum Alfeld. Nach langen Verhandlungen stimmten am Montag und am Mittwoch im nichtöffentlichen Teil der Kreistag und der Alfelder Stadtrat einstimmig für den Gesellschafterwechsel. Am Donnerstag wurden die Verträge unterzeichnet, die Geschäftsleitung aus Zürich stellte sich den Mitarbeitern vor. Wie Dahn berichtete, sei die Präsentation gut angekommen. "Es gab starken Applaus." Ein Vakuum habe es nicht gegeben, aber eine Phase der Unsicherheit, weil man die Ziele des neuen Eigentümers nicht kannte. Jetzt sehe man klarer. "Die Mitarbeiter stehen alle in den Startlöchern", betonte Dahn. Von einem "kleinen Durchhänger" sprach auch Pflegedienstleiter Peter Eilers. Doch das Personal sei hochmotiviert.
"Kleiner Durchhänger"
Wie berichtet, hatte sich das Alfelder Krankenhaus seinerzeit unter dem Namen Leinebergland-Kliniken mit dem Gronauer Johanniter-Krankenhaus zusammengetan. Doch 2007 ging die "Ehe" nach nur drei Jahren in die Brüche. Für den damaligen Mehrheitsgesellschafter Pro Diako, ein Unternehmen der kirchlichen Diakonie, stand das Alfelder Krankenhaus damit auf der Kippe. "Die Trennung hat dazu geführt, dass wir in Alfeld ein katastrophales Ergebnis hatten", sagte Pro-Diako-Geschäftsführer Dr. Rudolf Hartwig. Für das Unternehmen stand der Rückzug fest, "aber vorher wollten wir die Klinik noch stabilisieren". Es sei gelungen, ein Defizit von fünf Millionen Euro im Jahr 2008 im Jahr darauf zu halbieren. Und ein weiterer Fehler wurde korrigiert: Im Zuge der Fusion war die Unfallchirurgie nach Gronau verlegt worden. "Das ist nie richtig angenommen worden", erinnert sich Dr. Wolfgang Dahn. Also habe man in Alfeld eine komplett neue Chirurgie aufgebaut. "Das haben uns viele nicht zugetraut."
Mit den Verkaufsüberlegungen der Pro Diako wurde es unruhig. Der Landkreis Hildesheim und die Stadt Alfeld, die zusammen 32 Prozent an der Betriebsgesellschaft des Krankenhauses hielten, wollten einerseits den kommunalen Einfluss nicht verlieren, konnten aber auch die Augen vor den wirtschaftlichen Realitäten nicht verschließen. Bald stellte sich heraus, dass ein möglicher Käufer lieber zu 100 Prozent einsteigen wollte. Mitten in den Verkaufsverhandlungen wurde dann auch noch publik, dass die bisherigen Gesellschafter 1,6 Millionen Euro nachschießen mussten, um die Zahlungsfähigkeit der Klinik zu sichern.
"Wir haben intensiv, hartnäckig, aber immer erfolgsorientiert verhandelt", sagte Dr. Marina Martini, im Ameos-Vorstand für den Beteiligungserwerb zuständig. "Wir schauen uns viele Häuser an, viele wollen wir nicht." Doch die Klinik in Alfeld habe engagierte Mitarbeiter, ein differenziertes Angebot, "aber auch noch ganz viel Potenzial", so Martini. Ameos hatte 2007 bereits das damalige Landeskrankenhaus in Hildesheim übernommen. Insgesamt betreibt das Schweizer Unternehmen 43 Einrichtungen an 24 Standorten mit rund 6.500 Mitarbeitern.
Ameos übernimmt zu 100 Prozent die Betriebsgesellschaft. Die Besitzgesellschaft, der das Krankenhausgebäude gehört, verbleibt zu je 50 Prozent bei der Stadt Alfeld und beim Landkreis. Über Zahlen haben die Vertragspartner Stillschweigen vereinbart. Landrat Reiner Wegner bestätigte aber einen Bericht der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung, wonach Ameos bis zum Jahr 2037 Zahlungen an Stadt und Kreis leisten wird, bevor das Haus in den Ameos- Besitz übergeht. Die in dem Bericht genannten Zahlen dementierte er nicht. Demnach erhalten die Stadt Alfeld und der Landkreis jedes Jahr zusammen 600.000 Euro - bis 2037 wären das 16,2 Millionen Euro. Auch die ausscheidenden Mehrheitsgesellschafter Pro Diako wollten sich zu Zahlen nicht äußern. Man sei nicht strahlend herausgekommen, aber auch nicht zerstört, sagte Dr. Rudolf Hartwig. "Wir haben ein blaues Auge gekriegt, aber das geht wieder weg." Die Schritte, die Ameos zur Sanierung des Unternehmens plant, hätte Pro Diako als gemeinnützige Gesellschaft nicht leisten können. "Wir haben das Minus reduziert, aber um in die schwarzen Zahlen zu kommen, hätten wir investieren müssen. Dazu fehlte uns die Finanzkraft", so der Geschäftsführer.
Ameos will die Zahl der bislang 169 Betten erhöhen und peilt eine Steigerung der so genannten Fallzahlen um 20 Prozent in den nächsten drei bis vier Jahren an. Unter anderem soll die "Stroke Unit" (Schlaganfall- Station) weiterentwickelt werden, ein Zentrum für Geriatrie und Gerontopsychiatrie (Alterspsychiatrie) soll aufgebaut werden, ebenso ein Zentrum für Rückenleiden. Auch eine qualifizierte Suchtbehandlung soll künftig in Alfeld möglich sein. "Es wird aber keine psychiatrische Klinik wie in Hildesheim, keine Sorge", sagte Dr. Marina Martini. Auch wolle man die Steigerung der Patientenzahlen nicht über Verlegungen aus Hildesheim erreichen, sondern durch Zusatzangebote, die neue Patienten aus dem Umland anlocken. Zu konkreten Investitionsplänen in Alfeld wollte Dr. Axel Paeger, Ameos-Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender, noch nichts sagen, nannte aber das Beispiel Halberstadt: Dort habe Ameos in sechs Jahren 25 Millionen Euro investiert. Klar sei jedenfalls: Alle Mitarbeiter würden übernommen, keine Abteilung werde geschlossen.
BK-Chefin "nicht enttäuscht"
Bis vor kurzem gehörte das Hildesheimer Bernward-Krankenhaus (BK) noch mit zum ernst zu nehmenden Bewerberkreis. BK-Geschäftsführerin Schwester Canisia sagte auf KEHRWIEDER-Nachfrage, sie sei nicht enttäuscht, dass Ameos den Zuschlag erhalten habe. "Wir haben immer gesagt, dass wir das Krankenhaus nicht um jeden Preis übernehmen werden." Das BK sei mit seinem Gebot "ziemlich hoch gegangen", habe im Vergleich zur Ameos-Summe "nicht weit drunter" geboten. Selbst wenn in Alfeld nun der Schwerpunkt auf die Alterspsychiatrie gelegt werde, seien in den nächsten Jahren Investitionen in den Bereichen Internistik und Chirurgie in Höhe von fünf Millionen Euro notwendig. Damit habe das BK bei seiner Bewerbung gerechnet.
"Unser Konzept für Alfeld war gut", betont Canisia. Dass sich nun aber der Landkreis und die Stadt Alfeld auf einen Zahlungsmodus bis ins Jahr 2037 eingelassen hätten, wäre für das BK nicht in Frage gekommem. Das sei spekulativ, keiner könne auf so lange Zeit im Gesundheitswesen vorausplanen. "Unserer Stiftung hätten wir eine solche Belastung niemals zugemutet", sagt Canisia. Der Landrat hält das Risiko für überschaubar. Schließlich blieben Stadt und Kreis Eigentümer der Immobilie. "Der Eigentumsübergang erfolgt erst, wenn alles bezahlt ist", so Wegner.
Für Schwester Canisia stellt sich zudem die Frage, was mit den vom Bernward-Krankenhaus in Alfeld angebotenen Versorgungsbereichen wird: das BK hat dort eine Dialyse- Station mit zwölf Plätzen für 30 Patienten, zweimal wöchentlich eine Sprechstunde für Nieren-Patienten, es bietet eine Betreuung von Schlaganfall- Patienten an und bei Herzinfarkten ist Alfeld im BK-Netz verankert. Außerdem wird die Apotheke mitbeliefert. "Wir warten nun darauf, dass Ameos auf uns zukommt", sagt Canisia. Dazu ist der Konzern grundsätzlich bereit, wie die Geschäftsleitung am Donnerstag in Alfeld verlauten ließ. "Wir sind da vollkommen ideologiefrei", betonte Dr. Martini. "Wir wollen nicht sofort alle Kooperationen kündigen, sondern arbeiten mit allen zusammen, die mit uns zusammenarbeiten wollen."
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