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10.10.12 –
Förderlehrer auf Staatskosten erst wieder nach den Ferien - eine Mutter klagt über Hängepartie
(Quelle: Hildesheimer Allg. Zeitung, 10.10.12) Hildesheim. Für immer mehr Schüler zahlt der Staat Förderunterricht. Im vergangenen Jahr profitierten 130 bedürftige Schüler in Stadt und Landkreis von der neuen Leistung, die im Bildungsund Teilhabepaket vorgesehen ist. In diesem Jahr gab es bis zu den Sommerferien bereits rund 1300 Bewilligungen. Jetzt aber will der Landkreis genauer hinsehen, was und wie gefördert wird. "Wir werden da restriktiver rangehen", kündigt Fachdienstleiterin Constanze Sickfeld an.
Denn für einige ist der Förderunterricht eine höchst lukrative Einnahmequelle. Auf dem Markt tummeln sich kommerzielle Institute ebenso wie gemeinnützige Einrichtungen. Und einige Rechnungen sind gepfeffert. "Ein privater Lehrer hat uns schon mal einen Stundensatz von 65 Euro in Rechnung gestellt", sagt Sickfeld. Bislang zahlte die Behörde selbst in solchen Fällen - doch das hat jetzt ein Ende. Seit diesem Schuljahr gilt ein Höchstbetrag von 12,50 Euro pro Stunde. "Wir haben eine Marktanalyse gemacht und überprüft, welche Sätze üblich sind", sagt Sickfeld. Andere Kreise wie etwa Holzminden hätten mit solchen Obergrenzen gute Erfahrungen gemacht.
Bei privaten Nachhilfeinstituten kommt der neue Kurs nicht gut an. Die bundesweit agierende Kette LOS, deren Hildesheimer Ableger in der Wallstraße sitzt, nimmt bei einem Kind mit Lese-Rechtschreibschwäche 15 bis 20 Euro, je nachdem, wie intensiv die Förderung ist. "Wenn der Landkreis nur noch 12,50 Euro zahlt, vergleicht er Äpfel mit Birnen", kritisiert Harald Maruschewski, Inhaber von LOS Hildesheim. Der Förderunterricht bei einer Lese-Rechtschreibschwäche benötige speziell ausgebildete Pädagogen - das sei etwas anderes als Nachhilfe von Studenten. Zudem leiste LOS eine aufwendige Diagnose. "Wir müssen doch erst mal wissen, woran es hängt: Sind’s die Morpheme? Ist es die Zeichensetzung?"
Einer, der seit längerem Förderunterricht bekommt, ist der 15-jährige Lucas. Schon in der ersten Klasse kam er nicht hinterher, er musste das Schuljahr wiederholen. In der siebten Klasse blieb er an der Realschule Himmelsthür erneut sitzen. "Mündlich war er immer gut, aber schriftlich konnte er das nie umsetzen", sagt seine Mutter Nicole Heinzel-Sales. Lucas ist Legastheniker. Anfangs zahlte sein Vater den Förderunterricht, jetzt nicht mehr - und die sechsfache Mutter sieht sich außerstande dazu. Als Wohngeldempfängerin gehört sie zu dem Kreis, der prinzipiell Anspruch auf das Bildungs- und Teilhabepaket hätte. Doch Anträge nimmt der Landkreis erst nach den Herbstferien an - auch das ist Teil des Versuches, die Kosten zu dämpfen. Lucas bekommt zwar Förderunterricht von einer LOS-Lehrerin, doch es ist unklar, wer das bezahlen wird.
Fachdienstleiterin Sickfeld verteidigt den derzeitigen Antragsstopp. Zu Beginn des Schuljahres könne es gar nicht sein, dass ein Schüler bereits Hilfe benötige. "Sonst hätte er ja gar nicht versetzt werden dürfen." Den Förderunterricht auf Staatskosten gibt es nämlich nur dann, wenn ein Schüler Gefahr laufe, "wesentliche Lernziele" zu verfehlen - in der Regel ist das dann der Fall, wenn ein Sitzenbleiben droht. "Wir haben Fachkräftemangel, aber niemand tut etwas dagegen", ärgert sich hingegen Heinzel-Sales über die Hängepartie.
Und noch auf anderem Weg begrenzt der Landkreis seine Ausgaben. Ein Formular, auf dem Lehrer die Notwendigkeit eines Förderunterrichts bestätigen müssen, sieht maximal zwei Stunden wöchentlich vor, für längstens drei Monate. Tatsächlich aber gibt es Gerichtsurteile, wonach die Förderung unter Umständen länger gezahlt werden muss. "Durch dieses Formular werden Lehrer in die Irre geführt", meint Maruschewski. Fachdienstleiterin Sickfeld widerspricht: "Wir bewilligen auch weitere drei Monate, und das wissen die Lehrer." Grundsätzlich aber sei der Förderunterricht als kurzzeitige Unterstützung gedacht, nicht als Dauerleistung: "Und nach sechs Monaten muss ein Kind erst mal allein klarkommen."
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